Die Piratenpartei Baden-Württemberg fordert die Stadt Freiburg auf, das Leuchtturmprojekt der Open-Office-Migration weiter zu führen. Wie die Freiburger Piraten in Erfahrung brachten, möchte die Verwaltung das Projekt voraussichtlich nicht weiter fortführen. »Die Einführung freier Software zeigt große Erfolge. So hat z.B. Island in seinem ganzen Verwaltungs- und Staatsapparat freie Software eingeführt«, sagt Martin Lange, Freiburger Pirat und Politischer Geschäftsführer der Piratenpartei Baden-Württemberg.
Unfreie Software wie Microsoft Office speichert Daten in Formaten ab, die andere Programme oft nicht korrekt verarbeiten können. Dies zwingt Bürger und Behörden zu vergleichsweise teuren und stetigen Anschaffungen und bindet sie gleichzeitig an wenige oder sogar an nur einen, sein Monopol ausnutzenden, Hersteller. Auch in Freiburg stellt dies ein Hindernis für die Mitarbeiter der Verwaltung dar, da immer wieder Dokumente von anderen Behörden oder Bürgern verarbeitet werden müssen, die nur in unfreien Formaten vorliegen. Die Mitarbeiter wurden offenbar nicht hinreichend bezüglich des Umgangs mit diesem Problem geschult und unterstützt.
»Noch im Dezember 2010 hat die Stadt Freiburg verkündet durch den Umstieg auf freie Software allein in diesem Jahr EUR 600.000 gespart zu haben.« so Lange weiter, »Eine Rückkehr zu unfreier Software würde nicht nur enorme Kosten mit sich bringen, sondern auch die bisher geleistete Arbeit zunichte machen.«
Die Entscheidung der Verwaltung soll sich auf ein Gutachten stützen, das bisher nicht veröffentlicht wurde. »Wir fordern die umgehende Veröffentlichung dieses Gutachtens und eine objektive Bewertung der Empfehlungen«, meint Lars Pallasch, Vorsitzender des Landesverbandes Baden-Württemberg, »Mehrausgaben in dieser Größenordnung dürfen nicht mit unzureichender Schulung und Hilfe begründet werden!«
Es gibt viele gute Gründe für die Nutzung von freier Software wie zum Beispiel Herstellerunabhängigkeit, Investitionssicherheit, Unterstützung der lokalen IT-Industrie, Datenschutz und -sicherheit insbesondere im Bereich der Langzeitarchivierung und Kosten. Darum gibt es auch viele Beispiele von erfolgreichen Migrationen auf freie Software wie die Großstadt München, die spanische Provinz Extremadura oder Schwäbisch Hall in Baden-Württemberg.
Die Piratenpartei Baden-Württemberg fordert in ihrem Wahlprogramm einen vollständigen Umstieg der Verwaltung auf die bürgerfreundlichen offenen Formate.
Schade, dass das Gutachten nicht gleich öffentlich gemacht worden ist. Nur aufgrund dieser Intransparenz können wir nicht wissen, was die Argumente dafür sind, das Projekt zu beenden. Das Ganze ist einfach mal wieder ein wunderschönes Beispiel dafür, warum Transparenz so wichtig ist; Damit wir unsere Kontrollaufgabe wahrnehmen können, ohne mehr oder wenig blind aufgrund alter Fakten spekulieren zu müssen. Warum dürfen wir die neu Dazukommenen nicht auch wissen? Dafür habe ich einfach kein Verständnis. Ich will wissen, weshalb und warum!
Wir (Fraktion Junges Freiburg/Die Grünen im Freiburger Stadtrat) haben bereits Anfang April beantragt, dass Thema Open Source Software in den gemeinderätlichen Gremien diskutiert wird: http://jf-gruene.de/presse/details/artikel/antrag-zur-anwendung-von-open-source-in-der-stadtverwaltung.html
Wir bereiten gerade eine erneute Anfrage an die Verwaltung vor, in der wir Aufklärung über die in obiger Pressemitteilung kolportierten Entwicklungen fordern, Einsicht in das obengenannte Gutachten fordern und deutlich machen, dass aus unserer Sicht ein Ausstieg aus der bisherigen IT-Strategie nur aufgrund eines Ratsbeschlusses erfolgen kann – denn der Einstieg in ODF und Open Office wurde seinerzeit auch per Ratsbeschluß eingeleitet.
Sehe ich ähnlich, transparenz wäre hier wünschenswert 🙂
Fehlende Transparenz und auch die Unfähigkeit von Verantwortlichen, auch Fehler einzugestehen, sind oft der Grund für solch plötzlich sterbenden „erfolgreiche Projekte“. Wer hat bislang überprüft, ob und wie erfolgreich das Projekt in der Vergangenheit umgesetzt wurde? Man konnte zwar lesen, dass alles super lief, jetzt jedoch liest man, dass es plötzlich doch nicht so gut lief, wie immer vermeldet.
Schulungen mangelhaft, die Unterstützung der Anwender hatte gefehlt. Natürlich auch, dass viele Mitarbeiter unfähig waren, das System anzunehmen. Ach ja, technische Schwierigkeiten gab es ja auch…..Siehe dazu den Artikel in der Sonntagszeitung. Wieso waren die Argumente früher nie zu lesen? Und welcher Art waren die technischen Probleme? Inkompatibilität, fehlende Schnittstellen, Probleme mit dem Produkt selbst?? Und ach ja, nach 5 Jahren hat man eine halbe Million Dokumente erzeugt… und wieviele Dokumente wurden in der gleichen Zeit mit dem proprietären Office Paket erzeugt? Fragen über Fragen. Ich finde es gut, auf offene Dateiformate zu setzen und ich mag auch OpenOffice oder LibreOffice. Da wo man esproblemlos einsetzen kann. Dies schien mir bei der Stadt Freiburg nicht so zu sein. Vielleicht sollten Sie sich eingehender Informieren, bevor Sie die Rückkehr proklamieren???
Die Stadt Freiburg hat sich glücklicherweise noch nicht endgültig entschieden.
Leider lehnt die Stadtverwaltung es ab, das entsprechende Gutachten öffentlich zu machen, so dass wir auch kaum Hilfestellungen bei eventuellen Problemen geben können.
Überhaupt ist neben freier Software auch der Open-Data-Aspekt etwas, was in Baden-Württemberg viel zu stark vernachlässigt wurde und wird.
Ist das rechtlich haltbar, dass ein Gutachten zurückgehalten wird?
–„Leider lehnt die Stadtverwaltung es ab, das entsprechende Gutachten öffentlich zu machen“–
Das Gutachten wurde vom Steuerzahler finanziert und der Steuerzahler will schließlich wissen wofür das Geld ausgegeben wird!
Das ganze hat ein „Geschmäckle“ würde ich sagen und darf so nicht akzeptiert werden.
@Martin
Gebe dir vollkommen recht, dass Open Data ein wichtiger Punkt ist.
Zu Open Data haben wir vor kurzem auch einen Antrag in Freiburg eingebracht – zusammen mit der SPD: http://jf-gruene.de/presse/details/artikel/junges-freiburgdie-gruenen-und-spd-regen-open-data-strategie-fuer-freiburg-an.html
Open Data geht die Landesregierung auch (vielleicht etwas zu langsam) an: http://gruen-digital.de/2012/03/open-data-in-ba-wue-im-beta-test/
@kmueller
Das ist ja eines der Kernprobleme mit der Transparenz: Informationen gibt es durchaus, man muß sie nur zur Kenntnis nehmen und das macht man meistens erst dann, wenn die Presse berichtet. Die berichtet aber nicht automatisch, z.B. wurden die Piraten erst dann berichtenswert, als man in Berlin ins AGH rutschte. Im aktuellen Fall: Im März erschien folgender Beitrag: http://www.opensourcepublicsector.de/?p=46 der auf eine ganze Reihe der Probleme und Widerstände einging. Gibt sogar einen Link auf der Seite der Stadt Freiburg dazu.
Die spannende Frage zu dem Gutachten ist doch, welche Gesichtspunkte darin beleuchtet und bewertet wurden. Haben die Unabhängigkeit, Flexibilität und Scalierbarkeit, die offene Standards gegenüber verschlossenen herstellerspezifischen Methoden unzweifelhaft haben, überhaupt eine Rolle gespielt?
Das Land Baden-Württemberg hat jedenfalls das XML-basierende Format „Open Document Format for Office Applications“ (ODF) zum Standard für den Nachrichtenaustausch erhoben (nachzulesen in Ziff. 15.3.2 der eGovernment-Standards http://www.verwaltungsreform-bw.de/SiteCollectionDocuments/E-GK-Standards_2009.pdf). Auch Word 2003 ist dort noch erwähnt und PDF.
Es dauert manchmal etwas länger, bis die Vernunft sich gegen die Lobbyarbeit durchsetzt. Deshalb gilt es weiter daran zu glauben und für die Offenheit zu streiten.
Viel Erfolg dem Leuchtturm Freiburg
Kann der interessierte Leser mitterweile das Gutachten anschauen?
Wie verhält sich eigentlich obige Entscheidung sich von ODF zu verabschieden mit einem nicht bekannten Anteil von einer rund 140.000 Euro (zusammen mit München und Jena sowie dem schweizerische Bundesgericht, dem Schweizer Informatiksteuerungsorgan des Bundes (ISB) und demKanton Waadt) teueren Ausgabe zur Verbesserung von OOXML [1]?
BBiwy
[1] http://www.heise.de/open/meldung/Besserer-OOXML-Support-fuer-Libre-und-OpenOffice-1643393.html