Das komplizierte und in Teilen verfassungswidrige (s. BVerfG Entscheide) Bundestagswahlrecht bedarf einer näheren Erläuterung, um das Beste aus den beiden Stimmen zu machen. Es folgt eine spezielle Darstellung für Baden-Württemberg mit Links auf allgemeine Hinweise.

Vorabbemerkungen: der Autor ist Pragmatiker und will v.a. unserer Sache dienen; meiner Meinung nach werden wir ohne ein gewisses Maß an pragmatischen Ansätzen in der Politik kaum etwas bewegen können. Insbesondere reflektiert das Folgende nicht die Meinung des Vorstandes des Landesverbandes Baden-Württemberg der Piratenpartei Deutschland und unsere entschiedensten Anhänger lesen das vielleicht besser nicht.

An die Nichtwähler:

die etablierten Parteien haben alle Euer Vertrauen verspielt? Ihr denkt, Ihr könnt mit einer Stimmabgabe nichts mehr bewirken? Dann überlegt Euch, uns Eure Stimme zu geben: wir sind keine etablierte Partei, sondern eine Gruppe von Menschen, die unsere Grundrechte, garantiert vom Grundgesetz, in der heutigen Zeit energisch verteidigen wollen. Keine Lobby steht hinter uns, und die etablierten Parteien haben schon gemerkt, dass wir eine mehr oder weniger latente Bedrohung für sie sind: selbst wenn wir keine 5% schaffen sollten, jede Stimme hilft uns, unseren Einfluss in der öffentlichen Diskussion zu stärken, schaffen wir die 5%, was möglich ist, dann können wir sogar im Bundestag den Anderen ins Gewissen reden. Also Zweitstimme für die PIRATEN! Bei der Erststimme könnt Ihr sie auch einem PIRATEN geben, wenn vorhanden, sonst lasst es oder kreuzt irgend einen anderen Kandidaten an (vielleicht nicht gerade von der CDU).

An die Protestwähler.

Ihr überlegt Eure Stimme an verfassungsfeindlich gesonnene Gruppen wie die NPD oder Spartenparteien wie die Tierschutzpartei zu geben? Protest ist am Wirksamsten, wenn er gebündelt wird: wir haben bereits begonnen, die Kreise der etablierten Parteien zu stören, jede Stimme mehr für uns bei der Bundestagswahl wird diesen Effekt stärken. Und wir sind sicher, die anderen Parteien außerhalb des Bundestages zu überflügeln; selbst wenn wir “nur” 3% erhalten, sind wir in Prognosen und Hochrechnungen im Fernsehen am Wahlabend sichtbar. Das wird einen nachhaltigen Einfluss auf die Parteienlandschaft ausüben und Eurem Protest Wirkung und eine hörbare Stimme verleihen, erst recht, wenn wir tatsächlich die 5% schaffen. Also Zweitstimme für die PIRATEN und Erststimme auch, wenn möglich (in vier von 38 Wahlkreisen in BW)!

An Wechselwähler und Sympathisanten:

Eure Aufgabe ist natürlich am Schwersten. Schon die Chance, uns über die 5%-Sperrklausel zu wählen, die real ist, sollte allerdings Motivation genug sein, wenn Ihr unsere Hauptziele gut findet – wir können sowieso bestenfalls Junior-Partner einer Koalition werden, also sind fehlende Programmpunkte bei uns eher nebensächlich, wir können sowieso allenfalls Punkte unserer Kernthemen durchsetzen.

D.h. Ihr solltet uns Eure Zweitstimme geben, und tun das genug von Euch, sind diese auch nicht verschwendet! Wenn Ihr das alle tut, schaffen wir sogar definitiv den Sprung über die 5%-Sperrklausel.

Bei der Erststimme wird es natürlich schwierig: wir haben nur in wenigen (4 von 38) Wahlkreisen hier in BW (sieht in Deutschland allgemein eher noch schlechter aus, am Besten noch in Bayern, 7 von 45) eigene Kandidaten im Angebot.

Hinzu kommt das Problem mit den Überhangmandaten der CDU im Ländle: die sollten wir zu verhindern helfen, so gut es geht.

Am Leichtesten fällt die Entscheidung im Bundestagswahlkreis 271 Karlsruhe-Stadt: dort tritt unser Spitzenkandidat Dennis Laurisch (Landesliste Platz 1) gegen den Amtsinhaber Ingo Wellenreuther von der CDU an, neben anderen chancenlosen Mitbewerbern. Da Dennis keineswegs sicher sein kann, dass wir die 5% schaffen, und niemand Anderem Chancen streitig macht: gebt ihm alle Eure Erststimme in unserer BW-Hochburg! Vielleicht ist dort eine Sensation möglich? Bei der Europawahl hatten wir mehr als das Doppelte an Stimmen wie in ganz Deutschland und im Ländle in diesem Wahlkreis!

Schwieriger ist es in den drei anderen Wahlkreisen, am unübersichtlichsten ist es in meinem, 258 Stuttgart I. Hier treten einer der beiden Grünen-Bundesvorsitzenden, Cem Özdemir, und die SPD-Landesvorsitzende Ute Vogt neben einem bisher unbekannten CDU-Neuling und mir (Stefan Urbat) an (die Anderen können wir hier mal ignorieren). Ihr könnt auf Kandidatenwatch verfolgen, wie wir uns beim Frage-Antwort-“Spiel” von abgeordnetenwatch für die Bundestagswahldirektkandidaten schlagen. Ich stehe auf Platz 4 der Landesliste von uns PIRATEN (reicht bei 5% auch für ein Bundestagsmandat), ebenso wie Ute Vogt auf Platz 1 ihrer Liste der SPD, d.h. sie ist automatisch schon Mitglied des 17. Deutschen Bundestags (die SPD wird die 5%-Hürde schon noch nehmen und auch sicher irgendwo noch immer mindestens drei Direktmandate gewinnen, vielleicht sogar noch immer eines oder zwei in Baden-Württemberg, z.B. in ihrer Hochburg Mannheim).

Anders verhält es sich mit Cem Özdemir / GRÜNE und dem CDU-Kandidaten: beide sind nicht auf den Landeslisten ihrer Parteien vertreten (bei der CDU wäre das übrigens wegen der Überhangmandate ohnehin sinnlos, da kommt kein Listenkandidat in den Bundestag). Sie können also nur über dieses Direktmandat in den Bundestag einziehen.

Jetzt müsst Ihr Euch entscheiden: Ihr könnt der CDU schaden, wenn Ihr den aussichtsreichsten Direktkandidaten im Wahlkreis gegen den CDU-Kandidaten wählt, vermutlich ist das Cem Özdemir, weniger wahrscheinlich Ute Vogt (die wie erwähnt sowieso perfekt abgesichert, d.h. eigentlich schon gewählt ist). Oder Ihr könnt natürlich mir Eure Stimme geben, um ein Achtungsergebnis für uns/mich zu erreichen, in diesem Wahlkreis mit den ganzen Unis und dem größten Teil der Innenstadt (bei der Europawahl lag er ca. 50% über Bundes- und Landesschnitt), einem der besseren für uns.

Hintergrund: in Baden-Württemberg gewinnt die CDU, Hauptantreiber aller Bürgerrechtseinschränkungen, regelmäßig fast alle Wahlkreise und damit stets auch sogenannte Überhangmandate. Diese stehen ihr eigentlich aufgrund der Zweitstimmen gar nicht zu, ein schwerer Fehler im deutschen Bundestagswahlrecht (anders als in manchen Bundesländern bei Landtagswahlen, wo Ausgleichsmandate dafür vergeben werden). Diese Sitze erhält die Union bundesweit als (für die Partei) unverdiente Zusatzsitze, was sicher nicht in unserem Interesse ist.

Wer es genauer bzw. generell wissen will, es gibt auf der Site wahlrecht.de eine Zusammenfassung von Tipps und Tricks für die Bundestagswahlstimmabgabe sowie weitere Erläuterungen getrennt für die Erst- und Zweitstimme.

In den Wahlkreisen 259 Stuttgart II und 260 Böblingen haben wir die Standardsituationen: CDU vs. SPD Kandidat, wobei in 260 Böblingen Ihr getrost unserem Thomas Melchinger die Stimme geben könnt, da hat die SPD und der Rest ohnehin keine Chance. Dagegen hat Ute Kumpf/SPD, die immerhin gegen Softwarepatente ist, in 259 Stuttgart II den Wahlkreis gegen eine CDU-Bewerberin zu verteidigen. Auch hier gilt: entscheidet Euch, evtl. den Wahlkreis der CDU weiterhin vorzuenthalten (Ute Kumpf wählen) oder natürlich unserem Norbert Welk eine Achtungsstimme zu geben. Nebenbei wird Ute Kumpf durch die aktuelle allgemeine SPD-Schwäche sicher diesmal einen besonders schweren Stand haben.

Noch einen Wahlkreis werde ich erwähnen, weil dort für die SPD ein “Pirat in der SPD” antritt, wir aber keinen Direktkandidaten dort haben: Wahlkreis 265 Ludwigsburg, Jan Mönikes (Jörg Tauss’ Rechtsanwalt, gerade auch im aktuellen Verfahren) kann man auch aufgrund seiner Einstellung getrost wählen, und er hat gegen den diesmal weniger prominenten CDU-Bewerber (früher war das Matthias Wissmann) durchaus eine Chance.

Ansonsten beachtet die allgemeinen Empfehlungen und genannten Links. Geht wählen am 27. September 2009 – Klarmachen zum Ändern!