Zum ersten Mal ist in der vergangenen Woche ein Mann vom Amtsgericht Freiburg zu einer Geldstrafe von 300 Euro verurteilt worden, weil er eine Demonstration nicht angemeldet hatte und von der Polizei als Verantwortlicher ausgemacht wurde. Laut Polizei ist die nach Aussage des Mannes spontane Demonstration „absolut friedlich“ verlaufen.
In einem weiteren Fall wurde bereits am 19.6.2008 am Amtsgericht Karlsruhe ein Mann zu einer Geldstrafe von 900 Euro verurteilt. Er hatte die Demonstration zwar angemeldet, konnte allerdings nicht verhindern, dass einige Teilnehmer der friedlichen Demonstration gegen die Demonstrationsauflagen verstießen. Das Urteil wurde trotz unklarer Schuld verhängt, wobei der Richter dies schlicht mit „wer bestellt, der muss auch zahlen“ kommentierte.
Demonstrationen sind ein wichtiger Teil des Rechts auf freie Meinungsäußerung. 2008 brachte die CDU in Baden-Württemberg einen Gesetzesvorschlag ein, der das Demonstrationsrecht nach bayerischem Vorbild weiter einschränken und sogar die Möglichkeit bieten sollte, sowohl von behördlicher Seite aus Demonstrationen komplett zu unterbinden, als auch willkürlich Videoüberwachungen während der Demonstrationen durchzuführen. Dieser Gesetzesvorstoß ist glücklicherweise damals gescheitert. Die beiden Urteile zeigen aber, dass schon die jetzige Gesetzeslage die Demonstrationsfreiheit stark einschränkt. Die Piratenpartei Baden-Württemberg kritisiert dieses neuerliche Urteil und spricht sich für eine liberalere Gesetzgebung aus.
„Man hat die Wahl zwischen Pest und Cholera. Entweder man meldet eine Demonstration an und übernimmt das unkalkulierbare Risiko, für alle Auflagenverstöße zu haften, welche die Teilnehmer begehen oder man meldet sie nicht an und wird deshalb bestraft. Solch eine Rechtssprechung gefährdet die Demonstrationsfreiheit und muss geändert werden.“, so André Martens, Politischer Geschäftsführer des Landesverbands Baden-Württemberg und Landtagskandidat für den Wahlkreis Freiburg II.
Versammlungen „enthalten ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren“, sagt das Bundesverfassungsgericht. Nach der Föderalismusreform haben die Bundesländer jetzt die Möglichkeit, Versammlungen selbst gesetzlich zu regeln. Ute Hauth, Landtagskandidatin für den Wahlkreis Konstanz, meint: „Ich wünsche mir, dass Baden-Württemberg mit gutem Beispiel vorangeht und ein liberaleres Versammlungsrecht einführt.“
Ein liberaleres Versammlungsrecht ist nicht notwendig, aber vielleicht Aufklärung über die Rechte und Pflichten von Demonstrationsanmeldern – und gute Anwälte.
a) Grundsätzlich ist es so, dass sich ein Anmelder „kooperationsbereit“ zeigen muss. Ein Beispiel: die Versammlungsbehörde verbietet, Radios und Walkmans mitzunehmen (geschehen in Berlin 2001). Der Anmelder der Demo oder die von ihm betrauten Leiter müssen nun die Teilnehmenden auf das Verbot hinweisen. Es kann ihnen aber nicht zugemutet werden, selbst Polizei zu spielen und Taschen und Rucksäcke zu durchsuchen. Wenn der Demo-Leiter wiederholt auf das Verbot hingewiesen hat und trotzdem keine Reaktion erfolgt ist, kann er in Absprache mit dem Einsatzleiter der Polizei die Demo beenden, oder die Polizei greift sich einzelne Personen heraus, die gegen die Auflagen verstoßen (was meistens zu unguten Vibes führt).
b) Demos dürfen nur dann unangemeldet sein, wenn sie „spontan“ sind, d.h. weniger als 24-48 Stunden vorher geplant wurden. Ehrlich gesagt sind die meisten „Spontandemos“ nicht wirklich kurzfristig geplant. Wenn das die Polizei herausfindet, hat man Pech. Außerdem sind nicht alle Flashmobs automatisch Demos, denn es sollte für einen unbeteiligten Außenstehenden eine Aussage erkennbar sein.
2002 hat die Versammlungsbehörde Berlin vergeblich versucht, mich wegen solcher Auflagenverstöße zu verklagen, gegen die ich nichts machen konnte. Von der gleichen Demo gibt es zahlreiche Rechtsprechungen: http://goo.gl/Ewvy
Schaut sie Euch mal an und viel Erfolg bei der Revision. Ahoi!
Martin