Rund um die Spontankundgebung vom vergangenen Montag gibt es mittlerweile einen Bericht der Demobeobachter vom Versammlungsbündnis, der neue bedrücktende Details zum Vorgehen der Polizei liefert. Nicht nur werden die ersten Berichte von Augenzeugen und Betroffenen der Kontrollen (wir berichteten) bestätigt, sondern es ist in dem Text auch von gezielter Provokation durch die Einsatzkräfte die Rede. Im Folgenden veröffentlichen wir den Bericht eines Betroffenen, der, wie er erzählt, im Rahmen der Spontandemo ebenfalls zum Ziel dieses fragwürdigen polizeilichen Vorgehens wurde:
„Am Abend des 24.1.2011 gab es an den Anschluss zur Montagsdemo eine Spontandemo.
Dieses mal hatte die Polizei ihre Strategie geändert und anstatt Deeskalation auf Provokation und Einschüchterung gesetzt. Von Anfang an wurden die Demonstranten massivst gefilmt, was bei einer friedlichen Demonstration eigentlich gar nicht gestattet ist.
Am Ende wurden gezielt die Personalien von Leuten aufgenommen, welche bei der Demo ein Banner, eine Fahne oder ein Transparent getragen haben. Die Polizei hatte es dabei besonders auf die Mitglieder der Piratenpartei und des Versammlungsbündnisses abgesehen.
Die Demonstranten sollen eingeschüchtert werden, damit sie in Zukunft nicht mehr von ihrem Versammlungsrecht Gebrauch machen. Bei der Aufnahme meiner Personalien wurde versucht mich in eine abgelegene Ecke zu zerren. Vermutlich wäre es nicht nur bei einer Kontrolle des Personalausweises geblieben, wenn keine Zeugen und Kameras anwesend gewesen wären.
Glücklicherweise sind andere Demonstranten auf mich aufmerksam geworden und kamen mir zu Hilfe. In der Menge der Demonstranten war auch ein Polizist in Zivil der sich unter die Demonstranten gemischt hatte, der mich herumschubste. Dieser ist auch auf einem Video zu sehen.
Als ich nach dem Grund fragte, warum gerade meine Personalien aufgenommen werden, wurde mir gesagt, ich hätte die Demonstrationroute verlassen. Die Montagsdemo sei nur für den Bereich vor dem Bahnhof genehmigt gewesen. Auf meine Bemerkung, dass dies eine Spontandemo war wurde nicht eingegangen.
Es wurde schon im voraus von der Polizei geplant dieses mal anders durchzugreifen. Es gab Vorwarnungen, dass Mitglieder der Piratenpartei verhaftet werden könnten. Dieser Einsatzbefehl kam vermutlich von oberster Ebene, und angeblich waren diesen Abend 400 Polizisten im Einsatz, deutlich mehr, als an den bisher.
Die Polizei wird wieder von der Politik benutzt und ihr wird aufgezwungen eine härtere Linie zu fahren. Vor der Landtagswahl sollen möglichst keine Demonstrationen mehr stattfinden, damit dem Wähler suggeriert wird, nach der Schlichtung können alle mit Stuttgart 21 leben.
In regierungsfreundlichen Medien wird auch behauptet, dass kaum mehr demonstriert wird.
Die Welt titelt einen aktuellen Artikel mit „Revolution abgesagt„.
Es sollen keine Bilder durch die Medien gehen wie tausende Menschen durch die Straßen ziehen und demonstrieren. Die Schonfrist nach dem 30.9.2010 ist vorüber, jetzt setzt die Polizei wieder harte Mittel ein. Das war auch bei den letzten beiden Frühstücksblockaden zu spüren als Leute ohne vorige Aufforderung von der Polizei eingekesselt wurden. Dabei wurden auch Leute, die nicht blockierten und nur vom Bürgersteig zuschauten nicht ausgenommen.
Wir dürfen uns nicht dadurch einschüchtern lassen, sondern jetzt erst recht unserem Protest zum Ausdruck bringen.„
— Michael, Mitglied der Piratenpartei, 25.1.2010
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