Am 20.11.2012 wird der Gemeinderat der Stadt Freiburg über das Ende der Nutzung von Open Office in der Stadtverwaltung entscheiden und damit die Rückkehr zu Produkten der Firma Microsoft beschließen. Der Beschluss wird auf einem Gutachten basieren, das die Düsseldorfer Unternehmensberatung Excientes Management Consulting GmbH erstellt hat und welches deutlich bescheinigt, dass nicht etwa technische Probleme mit OpenOffice das Problem sind, sondern eine mangelhafte Projektumsetzung. Das aus einem Foliensatz bestehende Gutachten führt die Verweigerungshaltung der Anwender auf unzureichende Schulungen und schlechte Informationspolitik der Verwaltung zurück.
»Ein Projekt dieser Größenordnung kann nur scheitern, wenn man glaubt, dass man es fast zum Nulltarif bekommt. Bei den minimal spendierten Mitteln kann man davon ausgehen, dass der Umstieg politisch nie wirklich gewollt war. Man hat nicht einmal lokale Firmen einbezogen, die sich mit der Thematik auskennen und Unterstützung hätten bieten können«, so André Martens, Kandidat der Piratenpartei für die Bundestagswahl 2013.
Durch das inkonsequent umgesetzte Projekt gab es ungeregelte Anschaffungen von Microsoft-Software durch die Fachämter, die dann OpenOffice vorgezogen wurden – Wildwuchs also. Unter gleichen Umständen wäre wohl ein Umstieg auf Microsoft Office in gleicher Weise fehlgeschlagen. Es bleibt die Frage, warum das Beratungsunternehmen die Einführung eines neuen Office-Produkts so deutlich empfiehlt.
»Sollte man das Leuchtturmprojekt für freie Software als gescheitert erklären, weil im ersten Anlauf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht einbezogen und nicht ausreichend geschult wurden? Kein Wunder, dass sie die neue Software ablehnen. Man hat Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit gelassen, die gewohnte Software weiter zu verwenden. Da überrascht es kaum, dass die neue gemieden wird«, so Martin Brink-Abeler, Beisitzer im Bezirksvorstand und Change Management-Student.
Die Aussicht auf eine langfristige Unabhängigkeit von einem einzelnen Software-Anbieter scheint passé. Auch die Bürgerinnen und Bürger werden durch die Entscheidung für Microsoft-Produkte eingeschränkt. Diese Produkte sind nicht nur teuer, es gibt sie auch nicht für alle Betriebssysteme – ganz im Gegensatz zu der Auswahl an Software, die das freie OpenDocument-Format verarbeiten kann.
»Unabhängig von der Kostenseite ist das Setzen auf offene Dateiformate auch ein Garant für die dauerhaft mögliche Archivierung von Dokumenten. Der Austausch von Daten ist beim proprietären Microsoft-Format sogar zwischen verschiedenen Versionen der Microsoft Office-Produkte mit Problemen behaftet. Eine wirkliche Zukunftssicherheit ist damit nicht gegeben«, so Martens weiter.
Die Archivierung von Dokumenten der öffentlichen Verwaltung, die in Baden-Württemberg gesetzlich vorgeschrieben ist, wäre mit dem ISO-zertifizierten OpenDocument-Standard wesentlich sinnvoller umzusetzen als mit dem proprietären Microsoft-Format.
Die Freiburger Piraten kritisieren zudem die lange Geheimhaltung des Gutachtens, da so eine sachbezogene politische Diskussion unterbunden worden sei. Man finde es bedauerlich, dass ein wegweisendes Projekt mit freier Software in der öffentlichen Verwaltung nun zum Bauernopfer interner Querelen und schlechten Projektmanagements würde. Warum eine kleine Düsseldorfer Beratungsfirma mit Microsoft-Affinität für das Gutachten beauftragt wurde, anstatt lokales Know-how zu nutzen, erschließt sich den Freiburger Piraten nicht.
Die Stadt Freiburg solle keinesfalls unterschätzen, dass zwischen dem momentan teilweise noch verwendeten Microsoft Office 2000 und der aktuellen Version 12 Jahre Entwicklungszeit liegen. Dieser Umstand werde zweifelsohne zu Problemen führen und erhebliche Schulungskosten verursachen. Der Sinn eines Umstiegs auf Microsoft Office 2010 sei fraglich, da die nächste Version Office 2013 bereits angekündigt wurde. Selbst wenn die Verwaltung aus gutem Grund auf bewährte anstatt aktueller Software setzen möchte, würde es hier zwangsläufig zu weiteren Inkompatibilitäten kommen. Allein die Lizenzkosten würden sich laut Gutachten auf 610.000 € belaufen.
»Wir Piraten appellieren eindringlich an alle Gemeinderatsmitglieder, sich nicht von Open Office abzuwenden und die langfristigen Vorteile, die eine Unabhängigkeit vom Monopolisten Microsoft bringt, entsprechend zu berücksichtigen«, so Martens abschließend.
Ein weiterer nicht genannter Aspekt: so eine Kommunalverwaltung erstellt oder verarbeitet ja nicht nur Dokumente für den Eigenbedarf. Im Rest der Gesellschaft gibt es einen klaren Trend zu offenen Formaten. Dieser Tatsache verweigert sich Freiburg ganz offensichtlich. Nachdem andere Städte (z.B. München) solche Probleme nicht hatten, geraten die Verantwortlichen in Freiburg in den Verdacht der Inkompetenz. Bitter, dass sowas in einer grün-rot dominierten Kommune möglich ist. Oder etwa eine Steilvorlage für die Piraten?
Derartiges Führungsversagen kenne ich aus meiner langjährigen beruflichen Erfahrung als Druckingenieurin auch. Die Satz- und Reprotechnologien waren damals elektronisch getrennt modernisiert worden. Die neuen Maschinen waren sehr teuer – die Hoffnung auf Rationalisierungseffekte entsprechend riesig. Jedoch verlief die technologische Entwicklung schneller als erwartet: Text- und Bildbearbeitung erfolgten bald auf einem einzigen Gerät. Die bestehenden Berufsbilder flossen schneller zusammen, als die Facharbeiter umlernen konnten. Schuld waren dann nicht die Führungskräfte, sondern die Gerätelieferanten, die in der Folge reihenweise in Konkurs gingen …
Abhängigkeit von Microsoft? das is doch sowas von 2000..