Am Samstag, 9. September findet in Karlsruhe die Demonstration „Freiheit 4.0 – Rettet die Grundrechte“ statt. Die Versammlung richtet sich gegen zahlreiche jüngere Gesetze der Bundesregierung und mehrerer Landesregierungen, welche die im Grundgesetz verankerten Grund- und Freiheitsrechte beschneiden. Start ist um 13:30 Uhr mit der Auftaktkundgebung am Platz der Grundrechte. Ab 14:00 Uhr läuft der Demonstrationszug dann über den Marktplatz, Rondellplatz, Erbprinzenstraße, Ludwigsplatz und die Waldstraße zum Bundesverfassungsgericht, vor dem ab 15:00 Uhr die Abschlusskundgebung stattfindet. Bereits ab 12:00 Uhr werden die teilnehmenden Organisationen mit Infoständen auf dem Platz der Grundrechte über ihre Anliegen informieren.

Die Demonstration in Karlsruhe findet zeitgleich mit der gleichnamigen Großdemonstration in Berlin des Bündnisses „Freiheit statt Angst“ statt, an der sich über 50 gemeinnützige Vereine, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Parteien beteiligen.

„Die Reise nach Berlin ist für viele zu weit, zu aufwändig oder zu teuer“, teilt das Karlsruher Orgateam mit. „Wir wollen auch in Südwestdeutschland auf die Straße gehen. Daher haben wir in Absprache mit Berlin entschieden, eine zweite Demo in der Karlsruhe als ‚Residenz des Rechts‘ zu organisieren. „Während in Berlin vor allem die Sprecher der NGOs und Vereine reden, kommen in Karlsruhe vorrangig Vertreter der parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition zu Wort: Freie Demokraten, BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN, DIE LINKE, Piraten, Die PARTEI und die neue Partei DEMOKRATIE IN BEWEGUNG. Hinzu kommen die Jugendorganisationen Junge Liberale, Linksjugend [’solid] und Junge Piraten. Auch Tierschutzpartei, Partei der Humanisten, die „MitMichel“-Kampagne, die kommunale Wählervereinigung Karlsruher Liste (KAL) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mobilisieren für die Demo, stellen aber keine Redner. Als NGO ebenfalls mit dabei ist der im Verein „Entropia“ organisierte Chaos Computer Club (CCC) Karlsruhe.

„Anstatt omnipräsenter Angstmache, Unsicherheit und Unwissen brauchen wir eine rationale Debatte auf Basis realer Verhältnisse, der Menschenrechte und technischer Sachlichkeit“, sagt Martin Vietz vom Entropia, „Die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen verursachen um viele Dimensionen mehr Tote als der Terrorismus. Dies ist nur einer von vielen ähnlich gelagerten Fällen. Trotzdem wird fast ausschließlich ein Thema diskutiert. In Folge werden seit über 15 Jahren immer mehr Gesetze verabschiedet, die die Freiheit einschränken um die Sicherheit zu erhöhen. Wobei der Nutzen dabei in vielen Fällen technisch betrachtet sehr fragwürdig ist.“

Wie lang die Liste der kritisierten Gesetze ist, verdeutlicht Anja Hirschel, die als Spitzenkandidatin der Piraten zur Bundestagswahl reden wird:

„Die Ausweitungen von Staatstrojaner und Vorratsdatenspeicherung, das Videoüberwachungsverbesserungsgesetz, die Schleifung des Datenschutzes im sogenannten Datenschutzanpassungsgesetz, BKA-Gesetz und BND-Reform, das eID-Gesetz, mehr Überwachung und Erfassung der Bürgerinnen und Bürger auch bei den Fluggastdaten, den Prepaid-Handys und natürlich der automatischen Kennzeichenerfassung – Jetzt wird auch noch automatische Gesichtserkennung getestet! Wo soll das alles aufhören? Hinzu kommt noch eine unüberschaubare Reihe von repressiven Landesgesetzen wie das baden-württembergische Anti-Terror-Paket und die bayerische Unendlichkeitshaft. All diese Gesetzesänderungen bestimmen, wie sich unser Staat und unsere Gesellschaft in Zukunft verändern werden und welchen Stellenwert Freiheit und Grundrechte noch darin haben werden. Trotzdem kommen sie im Wahlkampf und in den Medien bisher nicht vor.“

Die grüne Bundestagsabgeordnete aus Karlsruhe, Sylvia Kotting-Uhl, erklärt: „Massenüberwachung taugt nicht zur Abwehr konkreter Gefahren z.B. durch Terroristen, gefährdet aber die Freiheit und die Rechte aller Bürgerinnen und Bürger. Deutschland ist ein Rechtsstaat und das muss auch so bleiben. Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Deshalb muss die Bundesregierung einen Schlussstrich ziehen unter so sinnfreie und demokratiefeindliche Verfahren wie die rechtswidrige Datenspeicherung durch das BKA im Falle der G20-Journalisten, die Vorratsdatenspeicherung und die Gesichtserkennung am Berliner Bahnhof Südkreuz. Wir streiten dafür, dass der Datenschutz weiter entwickelt wird zu einem Recht des Umgangs mit Informationen und Daten, der in allen Regelungsbereichen berücksichtigt wird.“

Weitere Redner sind die Karlsruher Bundestagskandidaten Michel Brandt von DIE LINKE und Stefan Glause von Die PARTEI, für DEMOKRATIE IN BEWEGUNG die baden-württembergische Spitzenkandidatin Sigrid Ott, Lea Laux aus dem Bundesvorstand der Jungen Piraten und Spitzenkandidatin der Piraten im Saarland sowie Moritz Klammler, der Kreisvorsitzende der Jungen Liberalen Karlsruhe. Letzterer warnt davor, sich durch vermeintliche Sicherheitserfordernisse argumentativ ins Bockshorn jagen zu lassen: „Wir demonstrieren nicht gegen die Sicherheit sondern für die Freiheit. Kein vernünftiger Mensch wird in einem unsicheren Land leben wollen, aber nicht jede Maßnahme ist geeignet oder gar erforderlich – geschweige denn angemessen – um für mehr Sicherheit zu sorgen, nur weil sie die Freiheit einschränkt. Insbesondere das Untergraben der IT-Infrastruktur, um Angriffe von Behörden wie die Quellen-Telekommunikationsüberwachung oder Online-Durchsuchung zu ermöglichen, stellt nicht nur einen eklatanten Grundrechtseingriff sondern auch einen Angriff auf die IT-Sicherheit dar. Hier wird unter dem Deckmantel der Sicherheit in Wahrheit eine neue Bedrohung geschaffen. Solche freiheitsfeindlichen Aktivitäten, die obendrein unbescholtene Bürger gefährden, anstatt sie zu schützen, müssen unverzüglich eingestellt werden.“

Sigrid Ott, die auf der Kundgebung für DEMOKRATIE IN BEWEGUNG sprechen wird, wirft einen breiteren Blick auf die Menschenrechte insgesamt und ihre konstituierende Wirkung in der Europäischen Union: „Die Unantastbarkeit der Menschenwürde und die Prinzipien der Demokratie, Freiheit und Gleichheit, einschließlich der Rechte von Minderheiten, sind den Gesellschaften in allen Mitgliedstaaten gemein und dürfen nicht preisgegeben werden.“

Auf die neuesten Entwicklungen am Berliner Bahnhof Südkreuz geht Stefan Glause von Die PARTEI ein: „Dort wird man unfreiwillig zum Statisten und wird nicht mal dafür bezahlt. Unter diesen Umständen kann man wenigstens eine Ausstrahlung zur besten Sendezeit verlangen. Spannender als das TV-Duell wäre es allemal.“

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