Am gestrigen Karfreitag haben ca. 300 gut gelaunte Menschen auf dem Stuttgarter Schlossplatz für die Trennung von Staat und Religion demonstriert. Dazu aufgerufen hatte die Piratenpartei Baden-Württemberg gemeinsam mit Giordano-Bruno-Stiftung, Linksjugend, Jungen Sozialisten, Grüner Jugend und den Jungen Liberalen.
„Ich freue mich, dass das Thema so vielen Menschen ebenfalls am Herzen liegt“, kommentiert Uwe Mayer, Hauptorganisator der Demonstration und Mitglied der Piratenpartei. „Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber uns gehört hat.“
Die Piratenpartei betont dabei, dass sich die Demonstration nicht gegen die Religionen richtet, sondern lediglich für einen weltanschaulich neutralen Staat wirbt.
„Niemand soll in seiner Religionsausübung gestört werden“, so Mayer weiter. „Es muss aber jedem Menschen freigestellt sein, ob er sich religiösen Bräuchen anschließt oder nicht.“
Nach anfänglichen Schwierigkeiten, da die gelieferte Musikanlage leider nicht auf das Wohlwollen der Polizei stieß und daher erst eine neue, kleinere Anlage beschafft werden musste, konnte die Demonstration mit 45 Minuten Verspätung dann doch mit Musik begleitet beginnen.
In den verschiedenen Redebeiträgen wurden die vielfältigen Missstände angesprochen, gegen die sich die Demonstration richtete. Neben dem Tanzverbot sind dies etwa das kirchliche Arbeitsrecht oder die Ausgleichszahlungen an die Kirchen.
Darum geht es
An Tagen mit Tanzverbot – also dem Verbot von z.B. öffentlichen Tanzveranstaltungen oder bestimmter Filmvorführungen an sogenannten „stillen Feiertagen“ – bestimmen die Kirchen, wie sich alle Menschen zu verhalten haben, egal ob religiös oder nicht. Dies ist in einem säkularen Staat nicht akzeptabel, auch nicht an wenigen Tagen im Jahr. Das Tanzverbot ist vielleicht nicht das drängendste Problem. Es ist aber ein anschauliches Beispiel für die vielen Verstrickungen, die es immer noch zwischen dem Staat auf der einen Seite und den Religionen auf der anderen Seite gibt.
Das kirchliche Arbeitsrecht: Diskriminierung auf Staatskosten
Daraus ergeben sich Probleme, die weit schlimmer sind, als das Verbot von Vergnügungsveranstaltungen. Konkret zeigt sich dies zum Beispiel im Arbeitsrecht, in dem die Kirchen eine Sonderstellung einnehmen. So dürfen Mitarbeiter in sozialen Einrichtungen der Kirchen entlassen werden, wenn sie beispielsweise geschieden oder homosexuell sind. Und das, obwohl bis zu 90% der Gehälter dieser Mitarbeiter vom Staat bezahlt werden. Weiterhin gilt für die Mitarbeiter kirchlicher Einrichtung auch ein Streikverbot. In anderen Betrieben wäre dies undenkbar.
„Das kirchliche Arbeitsrecht muss dringend reformiert werden“, fordert Michael Knödler, Vorsitzender der Piratenpartei Baden-Württemberg. „Es ist absolut inakzeptabel, dass Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Familienstandes entlassen werden dürfen.“
Religionsunterricht: Werbung auf Staatskosten
An praktisch allen Schulen findet ein christlicher Religionsunterricht statt. Damit wird der Kirche eine Bühne gegeben, ihre Inhalte niederschwellig an ein großes, leicht zu beeinflussendes Publikum zu vermitteln. Zudem werden die Religionslehrer vom Staat bezahlt, während der Inhalt des Unterrichts in den Händen der Kirchen liegt. Die Ausbildung der Lehrer findet zwar an den Universitäten statt, deren Lehrstühle wiederum werden aber von den Kirchen besetzt.
„Staatliche Bildungseinrichtungen müssen weltanschaulich neutral sein“, so Michael Knödler. „Der Religionsunterricht soll deshalb vollständig durch das Fach ‚Ethik‘ ersetzt werden, in dem auch unvoreingenommen die Grundsätze verschiedener Religionen gelehrt werden können.“
Staatsleistungen: Gelddruckmaschine für die Kirchen
Der deutsche Staat – und damit jeder Steuerzahler, egal ob Kirchenmitglied oder nicht – bezahlt beiden großen christlichen Kirchen jedes Jahr einen finanziellen Ausgleich, da den Kirchen zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Säkularisierung Besitztümer enteignet wurden. Die Entschädigung war jedoch nicht dauerhaft vorgesehen. Dennoch werden bis heute insgesamt über 500 Millionen Euro jährlich von den Ländern an die beiden großen christlichen Kirchen gezahlt. Den im Grundgesetz vorgesehenen Rahmen für Staatsleistungen hat der Bund – obwohl seit 1919 durch die Verfassung gefordert – bis heute nicht geschaffen, so dass unzählige, unübersichtliche Verträge mit einzelnen Kirchen bestehen.
Feiertage: Ein Geschenk der Kirchen?
Die meist erhobene Kritik an der Demonstration lautet: Man sei gegen das Tanzverbot, nehme aber gerne die Feiertage mit. Dies ist natürlich zu kurz gedacht – schließlich werden die freien Tage nicht durch die Kirchen zur Verfügung gestellt, sondern durch die Arbeit aller Menschen ermöglicht, nicht nur der religiösen. Es erschließt sich auch nicht, weshalb allein die Tatsache, einer Religion anzugehören, zusätzliche freie Tage rechtfertigen sollte. Eine Reformierung des Feiertagsgesetzes halten die Piraten aber dennoch für sinnvoll.
„Religiöse Feiertage könnten problemlos durch säkulare ersetzt werden“, so Knödler. „Wir bevorzugen aber die Einführung zusätzlicher Urlaubstage, die jeder frei wählen darf. Religiöse Menschen könnten diese dann weiterhin auf ihre jeweiligen Feiertage legen.“
Breiter Wunsch nach Trennung zwischen Staat und Religion
Es gibt noch viele weitere Beispiele für die Verstrickungen zwischen Staat und Kirche. Kirchensteuer, Rundfunkräte und eben auch das Tanzverbot gehören dazu.
„Wir möchten eine vollständige Trennung zwischen dem Staat und den Religionen erreichen“, so Knödler abschließend. „Das rege Interesse an der heutigen Demonstration hat gezeigt, dass wir damit nicht alleine sind.“