Petitionssteller: Borys Sobieski, in Vertretung für die Piratenpartei Deutschland – Landesverband Baden-Württemberg

Petition eingereicht: 15.05.2020, an den Petitionsausschuss des Landtags Baden-Württemberg

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Sehr geehrte Mitglieder des baden-württembergischen Landtags, sehr geehrte Mitglieder des Petitionsausschusses, liebe Mitlesende,

die Corona-Pandemie hat uns alle unvorbereitet getroffen. Die Einschnitte in das private Leben und auch in der Wirtschaft werden uns allen Tag für Tag vor Augen geführt. Die Freiheit aller Bürger*innen muss zum Infektionsschutz eingeschränkt werden. Die Kommunalwahlen in Bayern fanden zwar statt, haben aber gezeigt, dass auch unsere Demokratie nicht vor diesem Virus gefeit ist. Es wird eine wichtige Aufgabe der Landesregierung sein, die demokratischen Prozesse in unserem Land nicht zum Erlahmen zu bringen.

Im Frühjahr 2021 soll die Wahl zum 17. Landtag von Baden-Württemberg stattfinden. Bedingt durch das Wahlrecht sind die Landtagswahlen für Kleinparteien mit einem enormen Aufwand verbunden (siehe wahlrecht.piratenpartei-bw.de). Die Aufstellungsversammlungen für die Kandidaten in den 70 Wahlkreisen hätten bereits ab Februar 2020 stattfinden können, so hatte auch die Piratenpartei geplant. Die Corona-Pandemie zerschmettert diese Pläne nun jedoch. Es gilt ein Kontaktverbot in Baden-Württemberg, Aufstellungsversammlungen sind so nicht möglich und auch im Sinne des Infektionsschutzes zu unterlassen. In mehreren Wahlkreisen mussten die Versammlungen so schon abgesagt werden.

Das Wahlrecht sieht zudem 150 Unterstützungsunterschriften je Wahlkreis vor, das sind 10.500 Unterschriften für ganz Baden-Württemberg. Nicht nur kommt es zu einer erheblichen Verzögerung bei den Versammlungen, so dass der Zeitraum zum Sammeln der Unterschriften schrumpft, es ist aus epidemiologischer Sicht auch fahrlässig, quer durch das Bundesland Unterschriften zu sammeln und Kontakt zu den Menschen aufzunehmen. Das Interesse der Bevölkerung wird auch nicht auf diesen Unterschriften liegen in solch schweren Zeiten.

Aus diesen Gründen sehen wir die demokratische Vielfalt bei den Landtagswahlen 2021 gefährdet. Der Druck auf Parteien, den Kontakt zu der Bevölkerung zu suchen und Versammlungen mit mehreren Personen abzuhalten, sollte so gering wie möglich ausfallen.

Da die Wahlen für Parteien mit einem enormen finanziellen, aber auch personellen Aufwand verbunden sind, ist es wichtig, dass eine Änderung des Wahlrechts möglichst zeitnah erfolgt. Nur so können sich Parteien und Bürger*innen auf die veränderte Situation einstellen.

Wir appellieren daher an den Landtag von Baden-Württemberg, eine Wahlrechtsänderung auf den Weg zu bringen, um das Sammeln von Unterschriften für die Landtagswahl auszusetzen oder ganz abzuschaffen. Zudem fordern wir den Landtag dazu auf, Aufstellungsversammlungen per Video- oder Telefonkonferenz zu ermöglichen. Wir sehen darin den einzig sinnvollen Weg, die demokratische Vielfalt zu gewährleisten und die Coronapandemie nicht zusätzlich zu befeuern.

Die Option, Unterschriften digital im Netz zu sammeln, ist uns bewusst. Jedoch sind die Hürden für einen Prozess, bei dem die Unterschriften auf deren Rechtmäßigkeit geprüft werden, zu hoch. VideoIdent-Verfahren oder einen E-Personalausweis zur Identifikation fordert den Unterstützern einiges an Eigeninitiative ab. Zudem ist unklar, wer die Kosten für solch ein Verfahren trägt und über welche Infrastruktur solch ein Verfahren durchgeführt werden soll. Die Akquirierung solcher hoch-sensiblen Daten halten wir zudem für ein unnötiges Risiko. Andere Verfahren mit geringeren Hürden können die Rechtmäßigkeit der Unterschriften nicht sicherstellen, es kann nicht nachvollzogen werden, von wem die Unterschriften stammen. Solche Verfahren sind schlicht ungeeignet.

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