Mit einer gemeinsamen Klage vor dem Verfassungsgerichtshof von Baden-Württemberg wehren sich die Freien Wähler, die LINKE, die ÖDP, die PARTEI und die Piratenpartei gegen zu hohe Zulassungshürden zur Landtagswahl, die unter Corona-Bedingungen eine schwerwiegende Verzerrung der Chancengleichheit für politische Parteien darstellen. Für eine landesweite Teilnahme an der Landtags-wahl wird in Baden-Württemberg von den noch nicht im Landtag vertretenen Parteien bislang die Sammlung von 10500 Unterstützungsunterschriften in den 70 Wahlkreisen verlangt – wesentlich mehr als in allen anderen Bundesländern. In Nordrhein-Westfalen und Hessen reichen dafür 1000 Unter-schriften aus. Selbst für einen bundesweiten Antritt zur Europawahl genügen 4000 Unterschriften.

„Kontaktbeschränkungen, Abstandsgebote und ein immer noch stark eingeschränktes öffentliches Leben beeinträchtigen Unterschriftensammlungen nach wie vor erheblich“, konstatiert der Landes-vorsitzende der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), Guido Klamt. Die meisten Menschen wollen unter Corona-Bedingungen sich einem Unterschriftensammler nicht nähern oder sich die Formalien für eine Unterstützungsunterschrift in einem persönlichen Gespräch erläutern lassen. Deshalb habe der Landtag am 7. Mai bereits die Frist zu Sammlung von Unterschriften für Bürgerbegehren bis zum 31.3.2021 ausgesetzt. „Es wird nun höchste Zeit, auch die Unterschriftenhürde zur Landtagswahl deutlich abzusenken“, so der Sprecher von „Die PARTEI“, Jörg Lesser. Unter den gegebenen Bedingungen stelle eine derart hohe Unterschriftenhürde eine verfassungswidrige schwere Benachteiligung aller noch nicht im Landtag vertretenen Parteien dar. Weil die Landesregierung hier bislang untätig geblieben sei, werde man Mitte August eine gemeinsame Klage beim Verfassungsgerichtshof einreichen.

Für die Freien Wähler erklärte deren Landesvorsitzender Klaus Wirthwein: „Wir wollen uns nicht weiter vertrösten lassen, denn die Uhr für die Wahlzulassung tickt unerbittlich. Der Landtag muss jetzt unverzüglich die Initiative ergreifen und im Landtagswahlgesetz die Unterschriftenhürde absenken.“ Claudia Haydt, die Landesgeschäftsführerin der Partei „DIE LINKE“, erklärte: „Es ist auch gesundheits-politisch unverantwortlich, unter Pandemie-Bedingungen ein Dutzend Parteien dazu zu zwingen, hunderttausende persönliche Gespräche zur Unterschriftensammlung führen zu müssen. Dadurch würden die Unterschriftensammler*innen als auch die Bevölkerung einem Infektionsrisiko ausgesetzt.“ Ihnen andernfalls das demokratische Recht auf Teilnahme an der Landtagswahl zu verweigern, sei ungeheuerlich.

Der Landesvorsitzende der Piratenpartei, Borys Sobieski, wies darauf hin, dass das Land Nordrhein-Westfalen, in dem im September Kommunalwahlen anstehen, bereits im Mai die Unterschriftenhürde für die Wahlzulassung wegen Corona abgesenkt hat.

„Doch in Stuttgart haben es sich die etablierten Parteien ganz schön bequem gemacht im Landtag und bislang nicht reagiert. Den Schaden nimmt die Demokratie“Borys Sobieski

Erstmals in der Landesgeschichte haben sich deshalb alle größeren noch nicht im Landtag vertretenen demokratischen Parteien zu einer gemeinsamen Klage vor dem Verfassungsgerichtshof entschlossen. Gefordert wird, die Unterschriftenhürde zumindest auf das in Hessen schon seit vielen Jahren geltende Normalmaß abzusenken. In Hessen werden 50 Unterschriften pro Wahlkreis verlangt, und für eine landesweite Wahlzulassung sind 1000 Unterschriften ausreichend.