Ein offener Brief vom Karlsruher Teil des Landesvorstands BaWü an die BüKa und die Karlsruher Grünen

Liebe „Bürger für Karlsruhe„,

nicht schlecht. Ich meine, klar, es ist Wahlkampf, billige Polemik vereint mit sinnbefreiten Worthülsen schreit einem von so ziemlich jedem Wahlplakat entgegen, kaum jemand erwartet aktuell tatsächlich substanzielle und fundierte Äußerungen von einer Partei. Und doch habt ihr mit euren Äußerungen zur Intel Friday Night Game meine Erwartungen ziemlich weit übertroffen. Und nein, nicht im guten Sinne.

Wißt ihr, ich habe uns eigentlich für sowas wie Alliierte gehalten. Natürlich nicht soweit, daß sich unsere Ziele und Programme groß überdecken würden, denn dafür ist unser Fokus einfach zu unterschiedlich. Aber wir sind doch eigentlich auf derselben Seite. Eine kleine Partei (oder in eurem Falle Wählergemeinschaft), eher bürgerrechtlich ausgerichtet, kulturell offen, nicht verfilzt und nicht dazu getrieben, mit allen Mitteln an bestehender Macht festzuhalten. Prädestiniert dafür, sachlich und bedacht zu argumentieren. Zu denken, bevor wir reden (oder schreiben), denn Kompetenz – das ist unsere Stärke. „Unsere Fach- und Sachkompetenz steht gegen Parteipolitik und Entscheidungen von oben“, das habt ihr sogar auf eurer Website stehen.

Und dann musstet ihr euch unbedingt zur Intel Friday Night Game äußern.

Was mich an der Situation besonders schmerzt: Ich bin gerade dabei, unseren Oberbürgermeister Heinz Fenrich zu verteidigen. Einen Unionspolitiker! In einer Debatte um „Killerspiele“! Er hat es nämlich geschafft, die bei diesem Thema zahlreich ausliegenden Fettnäpfchen alle geschickt zu umschleichen, hat sich bei der Bundeszentrale für politische Bildung schlau gemacht und dann entschieden, daß das ganze vielleicht doch nicht so blutrünstig abläuft, wie es viele seiner Parteikollegen und der Axel Springer Verlag gerne immer wieder behaupten. Zusätzlich soll ja im Rahmen der Intel Friday Night Game auch wieder eine Eltern-LAN stattfinden – Eltern zocken mit ihren Kindern, sozusagen. Aufbauen von Verständnis zwischen zwei Generationen. Eine absolut klasse Aktion, meiner Meinung nach.

Eurer Meinung nach offensichtlich nicht.

Zugegebenermaßen bin ich gerade bei diesem Thema inzwischen auch schon ziemlich dünnhäutig. Die ganze Ignoranz und fachliche Inkompetenz und damit verbundene, nennen wir sie einmal vorsichtig „kreative“ Berichterstattung, ist ja für sich genommen schon unerträglich. Aber eure Pressemitteilung, holla die Waldfee… Da kommt selbst die BILD-Zeitung nicht so schnell heran.

Zum einen stellt ihr eine Korrelation zwischen Amokläufen und Egoshootern her, und impliziert Kausalität. Auf der Basis, daß alle Amokläufer Brot gegessen, äh halt, sorry, Egoshooter gezockt hätten. Also, zumindest habe ich euch so verstanden. Denn ansonsten würde eure Tirade ja gar keinen Sinn haben. Und irgendwie erinnert mich diese Art der Argumentation an gottlose Rockmusik, unheimliche Rollenspiele und den Tango. Alle verantwortlich für den Niedergang der Gesellschaft. Wenn ich mich richtig erinnere, dann meinte man im Heavy Metal in den späten 70ern, frühen 80ern Aufrufe zum Mord und Selbstmord ausgemacht zu haben. Ich sag es mal so: Die Faktenlage war nicht unbedingt ungleich der zum Thema Egoshooter.

Aber der literarische Höhepunkt kommt ja erst noch. Ihr beruft euch auf „Studien aus den USA“, daß „Killerspiele“ explizit entwickelt wurden, um die Hemmschwelle zum Töten zu senken – nennt aber keine Quellen. Bei so einer absurden Behauptung! Oder meint ihr gar nicht alle? Meint ihr nur manche? Meint ihr vielleicht auch gar nicht „für das militärische Training entwickelt“, sondern „vom Militär zu Trainingszwecken eingesetzt“? Erkennt ihr den Unterschied? Erkennt ihr wenigstens den Unterschied zwischen Camping und Manöver? Und, vielleicht die wichtigste Frage von allen – habt ihr denn wenigstens mal so ein „Killerspiel“ tatsächlich gesehen, geschweige denn gespielt, um euch eine eigene Meinung zu bilden? Eine Eltern-LAN wie auf der Friday Night Game böte da durchaus die Möglichkeit…

Also, als Fazit: Während der Karlsruher OB erstaunlich souverän jedem Fettnäpfchen ausweicht, schaut ihr euch nach einem Trampolin um und nehmt noch einmal ordentlichen Anlauf. Das Ergebnis ist zwar auf eine gewisse Art und Weise unterhaltsam, aber mal unter uns: Kompetenz ist anders.

Und nun zu euch, Karlsruher Grüne.

Was war das denn für ein Stunt? Die „BüKa“ haben das Bett gemacht, also legt ihr euch gleich mit rein? Und ihr geht sogar noch einen Schritt weiter – ihr wollt nicht nur die Veranstaltung aus der Stadt verbannen, ihr wollt denn Leuten sogar in ihren eigenen vier Wänden vorschreiben, was sie spielen dürfen und was nicht. Denn nach eurer Ansicht ist es ein Problem, wenn „Jeder […] sich diese Spiele heute zu Hause auf den Computer laden [kann], ganz ohne dass die Öffentlichkeit etwas davon mit bekommt“. Oder verstehe ich euch falsch? Wenn ja, was war denn tatsächlich gemeint?

Immerhin zitiert ihr keine „Studien aus den USA“, aber eure Argumente sind ebenso hohl und verquer wie die der BüKa. Wie bitte kann ein Spiel wie Counterstrike, an dem alle Mitspieler freiwillig teilnehmen, ihre Würde verletzen? Es wird niemand tatsächlich verletzt. Es gibt nicht einmal echte Rollenspielelemente! Es gibt nur zwei Teams, die virtuell gegeneinander antreten, und höchstwahrscheinlich danach bei ’nem Bierchen das Match diskutieren werden. So kenne ich das zumindest noch – und ja, aus eigener Erfahrung.

Ah, das wäre doch mal ’ne Idee: Beschreibt mal eure letzte LAN-Party, euer letztes CS-Match. Und macht Fotos von den unglaublich aggressiven Spielern und ständigen Schlägereien, die zwischen den moralisch abgestumpften Zockern ausbrechen. Psst, kleines Geheimnis: Die Wahrscheinlichkeit, den Yeti vor die Linse zu bekommen, ist höher.

Wißt ihr, von euch bin ich wirklich enttäuscht. Ich meine, ihr habt doch Zocker in euren eigenen Reihen! Die Fachkompetenz wäre also durchaus vorhanden! Aber anstatt mal jemanden zu fragen, der sich mit der Sache auskennt, werden die Talking Points von Wiefelspütz und Co wiedergekaut, und noch mit einer ordentlichen Portion Moralin (sauer) nachgewürzt. Das ganze wird noch eine Ecke bitterer, wenn man bedenkt, wie ihr euch in eurer Zeit der Regierungsbeteiligung auf Bundesebene verhalten habt. Mal so als Stichworte: Bundeswehr, Afghanistan. Das war ein echter Kriegseinsatz. Da wird nicht auf Pixel geschossen, sondern auf Menschen. Und da gehen die Kontrahenten am Ende des „Matches“ ganz sicher nicht ein Bierchen trinken. Aber das war OK, das wurde abgenickt. Und jetzt spielt ihr, die olivgrünen, euch als moralische Instanz auf, und verdammt am Ende eures Statements auch noch jeden, der an Egoshootern verdient?

Mir fehlen die Worte, ganz ehrlich.