Heute ist Karfreitag. In einem normalen Jahr würde die Piratenpartei heute in vielen Städten – so auch in Stuttgart – Eine Tanzdemo gegen die Privilegien der Christlichen Kirchen veranstalten.

Dieses Jahr ist alles anders. Und schuld daran ist ein kleines Virus.
Trotzdem beziehen wir Stellung, wie jedes Jahr. Wir stellen uns einfach vor, was wäre, wenn unsere Demo ganz normal stattfinden könnte.

Wir würden zwei Stunden lang mit Reden und Musik darauf hinweisen, welche Privilegien die Christlichen Kirchen in Deutschland genießen, und warum die unserer Meinung nach verfassungswidrig sind und abgeschafft gehören.
Wir würden auch erwähnen, dass am heutigen Karfreitag Filme wie „das Leben des Brian“, „The Rocky Horror Picture Show“, so ziemlich alles mit Bud Spencer, aber auch „Mary Poppins“ und „Heidi in den Bergen“ nicht gezeigt werden dürfen.

Die komplette Liste gibt’s übrigens hier: https://www.fsk.de/media_Content/3224.pdf

Wir würden aber auch über Staatsleistungen sprechen.

Die Staatsleistungen, das sind Zahlungen, die der deutsche Staat jedes Jahr an die evangelische und die katholische Kirche leistet, zusätzlich zu den Kirchensteuern.

Ursprünglich mal waren das Entschädigungen für Enteignungen.

Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung von 1919 hatte bereits festgelegt, dass diese Staatsleistungen abgelöst werden sollen. Der Gesetzgeber hätte mit einmaligen Zahlungen alle eventuellen Restforderungen der Kirchen aus diesen Enteignungen ablösen sollen. Das war vor einhundert Jahren!

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, in Kraft getreten im Jahr 1949, hat im Artikel 140 die entsprechenden Teile der Weimarer Reichsverfassung übernommen.

Vor 71 Jahren also wurde die Forderung erneuert, dass die Staatsleistungen abgelöst werden sollen.

2018 hat der deutsche Staat den Kirchen 538 Millionen Euro überwiesen. 14 Millionen mehr als das Jahr davor.

Die Staatsleistungen sind an die Beamtenbesoldung gekoppelt, und steigen also munter immer weiter.

Der Spiegel hat nachgerechnet, dass der deutsche Staat seit 1949 insgesamt knapp 17,9 Milliarden Euro an die Kirchen ausgeschüttet hat!

Ohne Zweckbindung übrigens. Das heißt: Für dieses Geld müssen die Kirchen keinerlei Gegenleistungen bringen.

Wenn man sich dagegen anschaut, was jemand, der Bafög beantragt, oder ein Hartz4-Empfänger alles über sich ergehen lassen muss, damit der Staat ihm gnädigerweise das Recht zu überleben zugesteht, dann ist das der blanke Hohn.

Aber immerhin, es soll niemand sagen, dass die Regierungsparteien das Grundgesetz ignorieren würden. Nein, gerade einmal einhundertundein Jahr nachdem der Artikel in der Weimarer Reichsverfassung verankert wurde, und sogar nur einundsiebzig Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes wird im Bundestag tatsächlich darüber diskutiert, dieser Forderung nachzukommen.


Immer wieder wird ja gerne erzählt, dass das Christentum ja zu unserer Kultur gehören würde.

Das stimmt schon, das tut es. Das Judentum übrigens auch, und eine Menge anderer Religionen genauso. Deren Feiertage schützt aber niemand. Warum eigentlich nicht?

Vor Allem aber gehört zu unserer Kultur die Aufklärung und die Religionsfreiheit.

Friedrich der Große sagte 1740:
„In meinem Staate kann jeder nach seiner Façon selig werden.“

Und Art. 136 (4) WRV von 1919 sagt: Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen oder zur Benutzung einer religiösen Eidesform gezwungen werden.“

Das wurde so auch ins deutsche Grundgesetz übernommen.

Nebenbei: Friedrich der Große formulierte diesen Satz als Antwort auf eine Anfrage, die zum Ziel hatte, römisch-katholische Schulen zu schließen.
Man würde sich wünschen, dass die damals gezeigte Toleranz von den begünstigten erwidert würde.

Unsere Karfreitagsdemonstrationen richten sich ausdrücklich nicht gegen die Kirchen oder gegen den Glauben. Egal welchen. Wer glauben möchte, darf das. Wir wollen aber, dass die Kirchen keinen Einfluss auf die Gesetze in unserem Land nehmen.

Das Grundgesetz sichert uns zu, dass wir nicht zur Teilnahme an religiösen Handlungen verpflichtet werden dürfen. Es sichert uns auch zu, dass wir eine Religion frei wählen können, und auch frei wählen können, keiner Religion anzugehören.

Noch wichtiger als die Frage, warum sich manche Leute anmaßen, uns vorschreiben zu wollen, an welchen Tagen wir Spaß haben dürfen und an welchen nicht, ist, dass diese Leute gerne behaupten, dass ihre religiösen Gefühle verletzt würden.

Wir nehmen Rücksicht auf die religiösen Gefühle unserer Mitmenschen!

Aber wenn jemand behauptet, es würde ihn stören, wenn wir an einem Ort tanzen, wo die gar nichts davon mitbekommen, dann kann das wohl nicht so ganz stimmen.

Wenn wir in einem Club eine Party feiern, dann bekommt das spätestens eine Straße weiter niemand mehr mit. Es ist schlicht nicht wahr, dass es darum geht, dass jemand gestört würde.

Diese Regelung ist ausschließlich dazu da, allen Menschen im Land die Regeln der christlichen Kirchen aufzwingen zu wollen. Und das ist klar gegen das Grundgesetz.

Wir nehmen Rücksicht auf gläubige Menschen. Wir hätten aber gern, dass diese Menschen – ganz im Sinne des Grundgesetzes – auch Rücksicht auf uns nehmen.

Rücksichtnahme ist keine Einbahnstraße!

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