Die Forderung der Piratenpartei Baden-Württemberg nach der Einrichtung eines NSU-Untersuchungsausschusses blieb bislang weitgehend ungehört. [1] Daher hat die Piratenpartei nun eine Liste aus 47 offenen Fragen zu den Aktivitäten des NSU in Baden-Württemberg erstellt.
Vor über einem Jahr wurden die Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) in Baden-Württemberg der Öffentlichkeit bekannt. Seither hüllen sich die zuständigen Ermittlungsbehörden in Schweigen. Dennoch wird immer offenkundiger, dass die NSU-Terroristen vielfältige Verbindungen auch in unser Bundesland unterhielten.
Bekannt ist bislang lediglich, dass die Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn durch den NSU ermordet wurde. »Weitere Ermittlungsergebnisse sind bis zum jetzigen Zeitpunkt nur auf Druck der Presse, der Untersuchungsausschüsse im Bund und anderen Bundesländern sowie Initiativen gegen Rechts durch die Behörden eingestanden worden«, erklärte Norbert Hense, Bundestagskandidat im Wahlkreis Offenburg, und fuhr fort: »Aus Baden Württemberg dringen kaum Anzeichen für aktuelle Ermittlungsarbeiten an die Öffentlichkeit.«
Hense fügte hinzu: »Die Piratenpartei schließt sich der Meinung von Clemens Binninger, dem CDU-Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags, an, dass »die Sicherheitsbehörden in Baden-Württemberg einige offene Fragen klären« müssen[2].« Hense ist der Überzeugung, dass durch einen Untersuchungsausschuss des Landtages zu klären sei, wie stark der Bezug des Terror-Trios nach Baden-Württemberg war. Ein solcher Ausschuss solle deshalb eigene Nachforschungen zur Ku-Klux-Klan-Affäre in Baden-Württemberg anstellen.
Für die Piratenpartei ergeben sich Hinweise auf Verbindungen zwischen dem rassistischen Geheimbund Ku-Klux-Klan und der rechtsextremen Terrorzelle NSU. So fand man nach Informationen aus dem NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag im Adressbuch von Uwe Mundlos der Name eines Mannes, der auch der Sektion Schwäbisch-Hall des Ku-Klux-Klan angehörte.[2] Zwei Polizeibeamte aus Baden-Württemberg, darunter der spätere Vorgesetzte von Michèle Kiesewetter, gehörten zeitweise ebenfalls dieser Sektion an.[3]
Quellen
[1] https://www.piratenpartei-bw.de/2013/01/06/piratenpartei-fordert-nsu-untersuchungsausschuss-in-baden-wurttemberg/
[2] http://www.pz-news.de/baden-wuerttemberg_artikel,-Tiefe-Vertrauenskrise-Kritik-auch-an-Verfassungsschutz-in-Baden-Wuerttemberg-_arid,390674.html
[3] http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2012/40446974_kw37_pa_2ua_nsu_do/index.html
Der Fragenkatalog
I. Themenbereich NSU und Verbindungen der NSU allgemein
1. Wie viele Mitglieder des NSU Umfelds sind der Landesregierung in BW bekannt?
1.1 Ist der Landesregierung bekannt, in welcher Zeit die NSU in BW aktiv war?
1.2 Ist der Landesregierung bekannt, welche Verbrechen die NSU in BW begangen haben soll?
1.3 Ist der Landesregierung bekannt, auf der Basis welcher Erkenntnisse das Landesamt für Verfassungsschutz die Verbrechen der NSU in BW nicht der NSU zugeordnet hat?
2. Wie viele Mitglieder des Ku-Klux-Klan (KKK) sind nach Kenntnis der Landesregierung in BW aktiv?
3. Sind der Landesregierung Personen bekannt, die Mitglieder des Ku-Klux-Klan (KKK) waren und im Umfeld der NSU aktiv waren?
4. Ist der Landesregierung bekannt, warum die Polizisten, die im KKK Mitglied waren, noch im Dienst der Polizei sind?
4.1 Ist der Landesregierung bekannt, ob die die Polizisten, die im KKK Mitglied waren jemals Bestandteil der Aufklärungsarbeit des Verfassungsschutzes waren?
4.2 Sind der Landesregierung die Gründe bekannt, aus denen das Landesamt für Verfassungsschutz in seinen Berichten die Mitgliedschaft von Polizisten im KKK unerwähnt ließ?
5. Ist der Landesregierung bekannt, ob es Kontakte, und wenn ja welcher Art, zwischen Mitarbeitern von Sicherheitsbehörden oder Geheimdiensten und Mitgliedern von NSU, des NSU-Umfelds oder des KKK gab?
6. Liegen der Landesregierung Informationen vor, dass Verfassungsschutzbeamte oder Polizisten eine direkte oder indirekte Tatbeteiligung an Verbrechen des NSU oder des KKK vorgeworfen wird?
7. Ist der Landesregierung bekannt, ob diese Beamten im Wissen oder Auftrag direkter oder indirekter Vorgesetzter oder Kollegen handelten?
8. Ist der Landesregierung bekannt, wie viele Unterstützer des NSU oder Mitglieder und Sympathisanten des KKK in Deutschland noch polizeilich gesucht werden?
8.1 Ist der Landesregierung bekannt, wie viele davon in Baden-Württemberg vermutet werden?
9. Ist der Landesregierung bekannt, wie viele Polizeibeamte oder Mitglieder des Verfassungsschutzes in Baden-Württemberg in Kontakt mit dem NSU oder dem KKK waren?
9.1 Ist der Landesregierung bekannt, wozu diese Kontakte dienten? Wurden diese Ziele erreicht? Wurden hierdurch Erkenntnisse gewonnen? Wenn ja: welche? Wenn nein: warum nicht?
10. Ist der Landesregierung bekannt, ob es finanzielle, materielle oder anderweitige Unterstützung von der Polizei oder dem Verfassungsschutz zu Mitgliedern des NSU, seines Umfeldes oder des KKK gab?
11. Ist der Landesregierung bekannt, ob Medienberichte aus den bestehenden NSU-Untersuchungsausschüssen stimmen, dass Beate Zschäpe, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt sowie diverse Polizisten mehrfach gemeinsam in der Nähe des Tatortes des Heilbonner Polizistenmordes gesichtet wurden?
11.1 Wenn diese Berichte stimmen: ist der Landesregierung bekannt, wozu diese Treffen dienten?
11.2 Wenn diese Berichte stimmen: ist der Landesregierung bekannt, ob Berichte, dass hierbei »harter Rechtsrock« gehört wurde, stimmen?
11.3 Wenn diese Berichte stimmen: ist der Landesregierung bekannt, welchem Ermittlungsziel das gemeinsame Anhören von »hartem Rechtsrock« von Polizisten und Terroristen dient?
12. Ist der Landesregierung bekannt, ob der Verfassungsschutz in BW oder die Polizei Akten im Zusammenhang zum NSU oder KKK vernichtet (hat)? Wenn ja: Warum, und warum wurde dies noch nicht untersagt?
II. Themenbereich Rechtsextremer Hintergrund von Polizei und Verfassungsschutz Mitarbeiter allgemein
13. Ist der Landesregierung bekannt, wie viele Mitarbeiter mit rechtsextremem Hintergrund bei der Polizei und dem Verfassungsschutz BW arbeiten?
13.1 Ist der Landesregierung bekannt, ob das Landesamt für Verfassungsschutz die Mitarbeiter mit rechtsextremem Hintergrund die bei Polizei und dem Verfassungsschutz BW arbeiten, beobachtet?
13.2 Wenn die Mitarbeiter mit rechtsextremem Hintergrund die bei Polizei und dem Verfassungsschutz BW arbeiten, nicht vom Landesamt für Verfassungsschutz observiert werden, sind der Landesregierung die Gründe dafür bekannt?
13.3 Wenn die die Mitarbeiter mit rechtsextremem Hintergrund, die bei Polizei und dem Verfassungsschutz BW arbeiten, vom Landesamt für Verfassungsschutz observiert werden, sind der Landesregierung die Gründe dafür bekannt, warum diese rechtextremen Zellen nicht im Bericht des Landesamtes erwähnt werden?
III. Themenbereich Ku-Klux-Klan (KKK) allgemein
14. Ein Verfassungsschutzbeamter soll laut Medienberichten den Leiter des KKK von Überwachungsmaßnahmen informiert haben[1]. Ist der Landesregierung bekannt, ob diese Medienberichte zutreffend sind?
14.1 Ist der Landesregierung bekannt, ob aufgrund der Medienberichte Ermittlungen gegen diesen Beamten eingeleitet wurden? Wenn ja: welche? Wenn nein: Warum nicht?
15. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, dass Ermittlungsbeamte, die Mitglieder des KKK waren oder sich um eine Mitgliedschaft im KKK beworben haben, V-Leute angeworben haben, die im rechtsradikalen Umfeld tätig waren?
16. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob Verfassungsschutzmitarbeiter, die an der Anwerbung von V-Leuten im KKK-Umfeld beteiligt waren, jemals im dienstlichen Kontakt mit Polizisten, die KKK-Mitglieder waren?
17. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob zwei Personen aus dem Umfeld des NSU im Rems-Murr-Kreis wohnen oder gewohnt haben? [2]
18. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, dass ein Beamter des Verfassungsschutzes von Baden-Württemberg seine Vorgesetzten bereits 2003 auf die Terrorzelle NSU hingewiesen hat? [2]
18.1 Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, warum das Landesamt für Verfassungsschutz BW im Jahre 2003 den Hinweisen auf die Terrorzelle NSU nicht nachgegangen ist? [3]
19. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, das zwischen der Inaktivität des Landesamts für Verfassungsschutz BW in Bezug auf Hinweise zur Tätigkeit der NSU in BW und der Tatsache, dass Polizisten Mitglieder des KKK waren und das Landesamt für Verfassungsschutz BW dies nicht öffentlich gemacht hat, ein Zusammenhang besteht? [4]
20. Nach den Informationen des Bundestagsuntersuchungsausschusses sind beim Mord an Michèle Kiesewetter Zeugenaussagen vorhanden, die sich auf einen Mann mit blutigen Händen kaprizieren, der in ein Auto gestiegen sein soll. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob diese Spur verfolgt wurde? [5]
21. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, warum wurde die Spur, die im Mai 2007 durch den Patenonkel von Michèle Kiesewetter, ebenfalls Polizist, bei einer Befragung zu Protokoll gegeben wurde, das seiner Meinung nach ein Zusammenhang zu den bundesweiten »Türkenmorden« bestehe, durch das Landesamt für Verfassungsschutz nicht nachgegangen wurde? [5]
22. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, das der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg im Jahr 2003 einen Hinweis zu »Thüringen«, »NSU«, »Mundlos« und »Terrorismus« erhalten hat? [6]
23. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, das bei der Ringfahndung nach dem Mord an Michèle Kiesewetter, bei der das Chemnitzer Kennzeichen eines Wohnmobils, von dem sich später herausstellte, dass es von einem NSU-Mitglied angemietet worden war, nicht näher überprüft worden ist, Polizisten, die Mitglied des KKK waren oder sich um eine Mitgliedschaft beworben haben, beteiligt waren? [6]
24. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, warum eine private E-Mail-Adresse Kiesewetters nicht näher auf Kontakte des Opfers zu NSU-Mitgliedern untersucht worden ist? [7]
25. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, dass die Ku-Klux-Klan-Mitgliedschaft zweier Polizisten 2001/2002 beim Heilbronner Mord eine Rolle gespielt hat? [7] Wenn nein, warum nicht?
26. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, ob die Ku-Klux-Klan-Mitgliedschaft von Polizisten in Baden-Württemberg etwas damit zu tun hat, das durch die Polizei und den Verfassungsschutz Baden-Württembergs anfangs großes Gewicht auf Ermittlungen im Kreis von Sinti und Roma gelegt worden ist?
26.1 Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, wodurch sich nachweisen lässt, das dem nicht so ist? [7]
27. Der Leiter der Sonderkommission (Soko) »Parkplatz« beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg (Axel Mögelin) erklärte, dass die Polizei Baden Württembergs „»nicht gegen bestimmte Gruppen, sondern nur aufgrund konkreter Ansatzpunkte bei einzelnen Personen, die sich in diesem Fall im Umfeld des Tatorts befunden hätten« recherchiert.
Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, warum dieser aber gleichzeitig Ermittlungen gegen Sinti und Roma geführt hat? Auf der Basis welcher »Ansatzpunkte« erfolgte dies?
27.1 Haben diese Ansatzpunkte Ermittlungen gegen die NSU verhindert?[7]
28. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, warum das persönliche Umfeld Kieswetters in ihrer thüringischen Heimat erst 2010 gründlich überprüft wurde? [7]
29. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, warum das Landesamt für Verfassungsschutz den Kontakten zwischen Mitgliedern der Ku-Klux-Clan Sektion Schwäbisch-Hall und Uwe Mundlos nicht nachgegangen ist? [8]
30. Laut Zeitungsberichten wurde rassistische Organisation »European White Knights of the Ku Klux Klan – Realm of Germany« im Oktober 2000 von einem V-Mann, der für den Verfassungsschutz BW gearbeitet hat, gegründet und von da an geleitet. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, welchen Einfluss das Landesamt für Verfassungsschutz Baden Württemberg auf die Gründung und Leitung des Ku-KluxKlan genommen hat? [9]
Quellen für die Frageliste
[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/verfassungsschutz-in-baden-wuerttemberg-beamter-warnte-ku-klux-klan-vor-ueberwachung-1.1506660
[2] http://www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=10805380/36cf71/index.html
[3] http://www.rp-online.de/politik/deutschland/beamter-schon-2003-auf-nsu-hingewiesen-1.2976257
[4] http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.geheime-infos-weitergegeben-kkk-affaere-thema-im-nsu-u-ausschuss.fd2bbf00-7a53-4c1a-85e9-aad40a8c0e2f.html
[5] http://www.br.de/fernsehen/das-erste/sendungen/report-muenchen/dossiers-und-mehr/nsu-polizistenmord102.html
[6] http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/politik/detail/-/specific/Schon-2003-Hinweis-auf-Verbleib-der-NSU-Terroristen-2011111132
[7] http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2012/40446974_kw37_pa_2ua_nsu_do/index.html
[8] http://www.stimme.de/heilbronn/polizistenmord/NSU-Terror-Verfassungsschutz-sieht-sich-zu-Unrecht-am-Pranger;art15061,2668704
[9] http://www.suedkurier.de/nachrichten/baden-wuerttemberg/aktuelles/baden-wuerttemberg/Ku-Klux-Klan-Verfassungsschutz-soll-Geheimbund-gewarnt-haben;art417921,5731803