Bildung und Forschung

Jeder Mensch hat das Grundrecht auf freien Zugang zu Information, Bildung und Kultur. Dies ist in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft unverzichtbar, um jedem Menschen – unabhängig von seiner sozialen Herkunft – ein größtmögliches Maß an gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen. Mit diesem Ziel ist die Hauptaufgabe institutioneller Bildung die Unterstützung bei der Entwicklung zur mündigen, kritischen und sozialen Persönlichkeit.

Zugleich ist Bildung ein elementarer Teil der kulturellen Entwicklung einer Gesellschaft. Nur wer entsprechendes Wissen erworben hat, kann am gesellschaftlichen und kulturellen Leben vollumfänglich teilnehmen.

Baden-Württemberg schneidet bei einschlägigen Untersuchungen des Bildungsbereichs in der Regel überdurchschnittlich gut ab. Dies verdankt das Land nicht nur einer engagierten Lehrerschaft, sondern auch der Sozialstruktur im mittelständisch geprägten Südwesten, die von den wirtschaftlichen Verwerfungen innerhalb Europas bislang weitgehend verschont blieb.

Mit sinkender Wirtschaftskraft und Einschnitten im Sozialsystem könnte sich dies in den kommenden Jahren dramatisch ändern.
Die Piratenpartei Baden-Württemberg möchte sich auch im Bildungsbereich nicht auf den Lorbeeren vergangener Jahre ausruhen. Wir werden daran mitwirken, unser Bildungssystem zukunftstauglich zu machen und stärker an den Begabungen, Talenten und Interessen der Kinder und Jugendlichen auszurichten. Dabei sollen auch die Erfahrungen der Lehrenden berücksichtigt werden.

Die drei Grundpfeiler unserer Bildungspolitik

Freier Zugang zu Bildung

Der freie Zugang zu Bildungseinrichtungen ist im Interesse Aller. Deshalb ist es Aufgabe der gesamten Gesellschaft, eine leistungsfähige Bildungsinfrastruktur zu finanzieren und gebührenfrei zur Verfügung zu stellen: Investitionen in Bildung sind Investitionen in die Zukunft und in eine stabile Demokratie. Bildungsgebühren jeglicher Art schränken den Zugang zu Bildung ein. Aus diesem Grund befürworten wir die Lernmittelfreiheit und den verstärkten Einsatz von lizenzfreien Werken zur Vermittlung von Wissen.

Bildung als Teil der individuellen Entwicklung

Jeder Mensch ist ein Individuum mit persönlichen Neigungen, Stärken und Schwächen. Institutionelle Bildung soll daher den Einzelnen unterstützen, seine Begabungen zu entfalten, Schwächen abzubauen und neue Interessen und Fähigkeiten zu entdecken. Neben starren Bildungs- und Stundenplänen werden auch manche Formen der Leistungsbewertung diesen Forderungen nicht gerecht. Insbesondere die Bewertung von Verhalten nach einem vorgegebenen Normenraster durch Kopfnoten lehnen wir ab.

Demokratisierung der Bildung

Wir setzen uns für eine Demokratisierung der Schul- und Bildungslandschaft ein.

Das bedeutet für uns die stärkere Beachtung der Persönlichkeitsrechte von Auszubildenden, Praktikantinnen und Praktikanten, Trainees, Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden ebenso wie die der Lehrenden. Wir wollen die Demokratisierung des Bildungsbereichs auf allen Ebenen, unter anderem durch weitergehende Rechte für die “Schülermitverantwortung” und die Studierendenschaften erreichen.

Für ein soziales und demokratisches Bildungssystem

Kostenloser Kindergarten- und Kinderkrippenbesuch

Der Besuch einer vorschulischen Einrichtung kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass Kinder in der Grundschule leichter lernen und sich besser in einer Gruppe zurechtfinden. Gleichzeitig können Kindergärten, Kinderkrippen und andere Kindertagesstätten maßgeblich zur Entlastung berufstätiger Eltern beitragen und es manchen Eltern überhaupt erst ermöglichen, einen Beruf auszuüben.

Deshalb wollen wir es mit Landesmitteln ermöglichen, dass der Besuch von Kindergärten nach dem dritten Lebensjahr und der Besuch von Kinderkrippen bereits nach dem ersten Lebensjahr für jedes Kind kostenlos angeboten wird. Damit erhalten alle Kinder, unabhängig von ihrem familiären und gesellschaftlichen Hintergrund, möglichst gleiche Voraussetzungen für ihren weiteren Bildungsweg.

Diese Voraussetzungen können nur von staatlicher Seite aus geschaffen werden.
Ein Erziehungsgeld wie in Bayern lehnen wir ab, da genau die besonders förderungswürdigen Kinder von ihren Eltern nicht in die Einrichtungen gegeben werden.

Einschulungsuntersuchung

Wir lehnen Teile der neukonzipierten Einschulungsuntersuchung (ESU) ab. Das flächendeckende Abfragen, Speichern und Weiterleiten von persönlichen Daten widerspricht den Grundsätzen des Datenschutzes und den Persönlichkeitsrechten von Eltern und Kindern.
Viele der im Elternfragebogen abgefragten Informationen sind entweder für die Einschulung nicht relevant (z.B. Bildungsstand der Eltern) oder können von den Eltern gar nicht objektiv angegeben werden (z. B. Boshaftigkeit des Kindes).

Die Grundsätze der Datensparsamkeit und des Datenschutzes müssen bei einer weiteren Überarbeitung der ESU stärker als bisher berücksichtigt werden. Eltern sollen sich zudem umfassend über alle zu ihrem Kind gespeicherten Daten informieren können.

Familienfreundliche Ganztagsbetreuung an Schulen

Staatliche Bildungseinrichtungen müssen den Familien dabei helfen, den Anforderungen des heutigen Familien- und Berufslebens gerecht zu werden. Dafür soll mit Landesunterstützung an allen Schulen ein Angebot zur Ganztagesbetreuung bereitgestellt werden.

Das Betreuungsangebot ergänzt den Unterricht um zusätzliche Bildungsmöglichkeiten und Aktivitäten. Neben Wahlfächern, Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe soll ein möglichst breites Angebot an kulturellen oder sportlichen Tätigkeiten ermöglicht werden. Dabei ist die Zusammenarbeit mit Vereinen zu beiderseitigem Vorteil ausdrücklich erwünscht.

Schulspeisung

Eine gesunde Ernährung ist aus Gründen der körperlichen und geistigen Entwicklung und der Konzentrationsfähigkeit der Kinder wichtig. Berufstätige Eltern, besonders Alleinerziehende, haben nicht immer die Möglichkeit, ihren Kindern ein Mittagessen zu bieten. Schulspeisungen können dazu beitragen, dass sich ihre Kinder trotzdem ausgewogen ernähren. Wir fordern daher die Einführung vollwertiger Schulspeisungen an allen Schulen und Kindertagesstätten.

Die Finanzierung dieser Schulspeisungen ist so zu gestalten, dass alle Schülerinnen und Schüler unabhängig von der sozialen oder finanziellen Lage der Familie diskriminierungsfrei daran teilnehmen können. Bei der Planung ist zu berücksichtigen, ob die Verwaltungskosten für die Essensgebühren die Einnahmen übersteigen und eventuell eine vollständig kostenlose Schulspeisung günstiger wäre.

Inklusionsbeauftragter

Die Piratenpartei Baden-Württemberg begrüßt grundsätzlich die Abschaffung der Sonderschulpflicht durch die Landesregierung. Wir halten aber diesen Schritt für nicht zu Ende gedacht. Neben der freien Schulwahl für alle Menschen fordern wir die Verpflichtung von Schulen, Inklusion tatsächlich zu verwirklichen, und eine Zusammenlegung der Entscheidungskompetenzen für Inklusion ermöglichende Maßnahmen.

Wir wollen ein Inklusionshilfrecht sowie in jedem Landkreis eine Inklusionsbeauftragung schaffen. Die beauftragte Person soll zum Beispiel für Anträge auf Assistenz, aber auch für alle anderen die schulische Ausbildung des behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen betreffenden Anträge zuständig sein.

Da die Zuständigkeiten auch durch Bundesgesetze geregelt werden, wird die Piratenpartei entsprechende Bundesratsinitiativen starten. Dazu zählt auch, die Rechtsprechung in Fragen des Inklusionshilferechts bei den Sozialgerichten anzusiedeln und eine Verfahrensfrist von 3 Monaten für Inklusionshilfeklagen einzuführen.

Wir wollen eine verpflichtende Fortbildung der Lehrkräfte in Inklusiionsfragen einführen und einen jährlichen Inklusionsbericht der Landesregierung gesetzlich verankern.

Familienfreundliche Hochschulen

Hochschulen sollen familienfreundlicher gestaltet werden. Dies betrifft sowohl die Arbeit in Forschung, Lehre und Verwaltung als auch das Studium. Eine akademische Karriere muss parallel zur Kindererziehung möglich sein. Hierzu sollen verstärkt Teilzeitstellen angeboten werden – gerade auch für Professorinnen und Professoren, Doktorandinnen und Doktoranden und den wissenschaftlichen Nachwuchs.
Parallel dazu muss die Kinderbetreuung an Hochschulen ausgebaut werden, so dass für alle Kinder von Studierenden und Angestellten der Universität Betreuungsplätze zur Verfügung stehen.

Schulen demokratisieren

Selbstbestimmung an der Schule durch das Lehrkollegium und Mitbestimmungsrechte der Schülerinnen und Schüler schaffen faire Arbeitsstrukturen. Die “Schülermitverantwortung” (SMV) muss in eine Mitbestimmung für Schülerinnen und Schüler umgestaltet werden, um eine Teilhabe an Entscheidungen zu ermöglichen.

Wir wollen die Eigenständigkeit von Schulen in Personalfragen stärken. Dazu zählt unter anderem die Ausweitung von schulscharfen Stellenausschreibungen und die Veröffentlichung in Jobportalen und in der Tagespresse.

Das Prinzip “Geld statt Stellen” wurde in einigen Bundesländern eingeführt. Es dient vor allem zur schnellen Organisation von Vertretungsunterricht durch die Schulleitungen. Dieses Prinzip wollen wir auf Planstellen ausweiten. Durch den Planstellenerlass zugewiesene Stellen oder Stellenteile sollen insgesamt immer mehr in Haushaltsmittel für die Schule umgewandelt werden. Mit diesen Mitteln sollen die Schulen dann auch unbefristete Einstellungen selbst vornehmen dürfen.

Erziehung zur Demokratie

Die gelebte Vermittlung der Grundprinzipien unserer demokratischen Staats- und Gesellschaftsform ist eine der Aufgaben staatlicher Bildungseinrichtungen. An allen baden-württembergischen Schulen sollen deshalb schrittweise Klassenräte und Schulparlamente eingeführt werden. Durch die frühe Möglichkeit, sich an (schul)politischen Entscheidungen zu beteiligen und Themen zu erarbeiten, wollen wir auch der Politikverdrossenheit unter Jugendlichen vorbeugen. Außerdem lernen Kinder und Jugendliche demokratische Prinzipien und Werte auf diese Art und Weise kennen und schätzen, wodurch sie kritischer mit extremistischem Gedankengut umgehen können.

Parallel hierzu wollen wir den gesellschaftskundlichen und politischen Unterricht erweitern.

Vermittlung sexueller Vielfalt im Bildungsplan

Wir unterstützen die Verankerung von sexueller Vielfalt im Bildungsplan 2015 der grün-roten Landesregierung, denn die Vermittlung der Gleichwertigkeit traditioneller und bunter Lebensentwürfe ist grundsätzlich zu befürworten.

Wir fordern die Landesregierung auf, dafür Sorge zu tragen, dass diese vielversprechenden Ansätze auch folgerichtig umgesetzt werden und flächendeckend in den Schulen Aufnahme finden.

Wir Piraten wünschen uns aber mehr. Statt nur einen Wertekanon zu vermitteln, zu dem Toleranz und Respekt gegenüber anderen Lebensentwürfen gehören, fordern wir gelebte Gleichwertigkeit und Gleichstellung. Wir wollen Inklusion statt Integration.

Persönlichkeitsrechte von Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften achten

Die Privat- und Intimsphären sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung von Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften müssen gewahrt bleiben. Videoüberwachung und private Sicherheitsdienste haben keinen Platz in an Schulen. Präventive Durchsuchungen und Kontrollen oder Urinuntersuchungen sind zu unterlassen. Die Unschuldsvermutung gilt auch für Schülerinnen und Schüler. Diese unter Generalverdacht zu stellen, zerstört das Vertrauen zu Schule und Lehrkräften, ohne welches Unterricht und Erziehung nicht möglich sind.

Unsere Schulkonzeption

Die Landesregierung hat erkannt, dass das starre Schulsystem mit seiner Dreigliedrigkeit und dem fest eingeteilten Klassensystem problematisch ist, und hat erste Schritte unternommen, althergebrachte selektive Strukturen aufzubrechen. Diese ersten Schritte begrüßen wir. Wir wollen darüber hinaus eine flexible und modulare Unterrichtsstruktur einführen.

Ziel unserer Schulpolitik ist die optimale Förderung der Schülerinnen und Schüler. Diese wird durch den begonnenen Ausbau der freiwillige Ganztagesbetreuung erleichtert, die flächendeckend ermöglicht werden soll und in der eine örtliche Kooperation mit schulexternen Trägern wie Vereinen oder Musikschulen angestrebt wird. Weitere alternative Schulkonzepte müssen in Baden-Württemberg möglich sein und parallel zu den bisherigen Schulformen existieren dürfen.

Differenziertes, integriertes Kurssystem

Die bisherige Unterteilung in Schularten und Klassenstufen ist zu unflexibel, um auf die Leistungen der Schülerinnen und Schüler eingehen zu können.

Wir fordern daher die Einführung eines differenzierten, integrierten Kurssystems in den Regelschulunterricht. Die Schülerinnen und Schüler können hier in flexibler Reihenfolge Kurse in den unterschiedlichen Gebieten belegen. Der Lerninhalt setzt sich dabei aus Pflicht- und Wahlkursen zusammen. Anstelle der Wiederholung einer ganzen Klassenstufe erfolgt hier bei unzureichenden Leistungen die Wiederholung – gegebenenfalls auf einem anderen Niveau oder mit anderen Fördermöglichkeiten – des entsprechenden Kurses.

Mit diesem neuen Standard wollen wir den individuellen Lerntypen und Neigungen der Kinder und Jugendlichen gerecht werden. Unser Ziel ist die gemeinsame Förderung schwächerer und leistungsstärkerer Schülerinnen und Schüler.

Gemeinschaftsschulen weiterentwickeln

Damit Gemeinschaftsschulen ihrem Auftrag gerecht werden, mehr als alle anderen Schulen individuelle Begabungen zu fördern, wollen wir auf dem Weg zu den mittleren Bildungsabschlüssen den Schülerinnen und Schülern viele verschiedene Wege über unterschiedliche Wahlpflichtfächer ermöglichen. In einem Kurssystem mit breitem Kursangebot soll neben den Differenzierungskursen in den Pflichtfächern Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu einer umfangreicheren Neigungswahl gegeben werden, damit sie sich dort einbringen können, wo ihre Stärken liegen.

Leistungsdruck und Schulstress verringern

Überfüllte Lehrpläne und Lernstandserhebungen sind hohe Stressfaktoren und setzen Schülerinnen und Schüler unnötig unter Druck. Die Bildungsplanreform 2016 kommt daher zwangsläufig. Sie ist nicht allein durch unpräzise Kompetenzformulierungen oder unterschiedliche Fächerverbünde in den einzelnen Schularten begründet. Zusätzlich wird die Durchlässigkeit zwischen den Schularten erschwert. Wir werden die Bildungsplanreform kritisch begleiten und – wenn notwendig – Nachbesserungen anregen. Besonders der Bildungsplan des Gymnasiums mit einer nun verkürzten zwölfjährigen Schullaufbahn ist dabei in unserem Blickfeld. Statt Lernstandserhebungen wie PISA oder VERA, die nur den Wissensstand messen, sollen langfristige Evaluationsverfahren eingesetzt werden, die auch die Selbstreflexion der Schülerinnen und Schüler einbeziehen und somit die Lernprozesse unterstützen.

Unterrichtsbeginn ab neun Uhr

Schulen sollen über die Möglichkeit informiert werden, den Unterricht später beginnen zu lassen.

Startet der Unterricht erst um neun Uhr, sind Schülerinnen und Schüler ausgeschlafen. Das macht den Unterricht in den ersten Stunden effektiver als bisher. Außerdem ist so Zeit für ein Frühstück mit der Familie. Betreuungsangebote in der Schule vor Unterrichtsbeginn müssen vorhanden sein. Die Entscheidung über den Unterrichtsstart sollen die Schulen gemeinsam mit den Schülerinnen, Schülern und Eltern treffen.

Computer- und Vernetzungsangebote im Unterricht

Für die Vermittlung von Lerninhalten sollen verstärkt Computer zum Einsatz kommen. Schülerinnen und Schüler sollen sich Kursinhalte anhand aufgezeichneter Vorlesungen, per Videokonferenz oder mit Hilfe interaktiver Programme aneignen können.

Medienkompetenz

Internet und moderne Medien sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Wir möchten, dass staatliche Bildungseinrichtungen verstärkt auf diese Veränderungen reagieren und wollen die fächerübergreifende Vermittlung von Medienkompetenz in allen Bildungs- und Erziehungsbereichen einführen.

Neutralität in der Bildung

Die Bildungsinhalte müssen auf fundierten und belegbaren Erkenntnissen basieren. Wissen soll von einem möglichst neutralen Standpunkt aus vermittelt werden. Dies beinhaltet vor allem eine sachliche Darstellung, die Ausgewogenheit der Standpunkte und eine kritische Quellenbewertung.

Säkularisierung der Bildung

Wo Menschen unterschiedlichen Glaubens zusammenleben, müssen staatliche Bildungseinrichtungen weltanschaulich neutral sein. Der bisher in Landesverfassung und Schulgesetz vorhandene Religions- und Gottesbezug sollte deswegen gestrichen werden.

Keine Bundeswehr an Schulen

Wir sehen die Entsendung von Jugendoffizieren der Bundeswehr für Unterrichtszwecke und zur Aus- bzw. Weiterbildung von Lehrkräften an Schulen sehr kritisch. Klassenzimmer sollen nicht zu Rekrutierungsbüros werden. Bundeswehrbesuche an Schulen müssen neutral gestaltet sein. Solange dies nicht gewährleistet ist, sollte darauf verzichtet werden.

Religions- und Ethikunterricht

Der wachsenden Zahl von Schülerinnen und Schülern ohne konfessionelle Bindung steht in Baden-Württemberg ein nicht ausreichendes Angebot an Ethikunterricht gegenüber. Wir möchten für alle Schülerinnen und Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, Ethikunterricht flächendeckend bereits ab der ersten Klasse anbieten.

Der Wechsel zwischen Ethikunterricht und konfessionellem Religionsunterricht soll in beide Richtungen möglich sein – am Schuljahresbeginn oder zum Schulhalbjahr.

Wir wollen den Religionsunterricht langfristig durch einen Ethik- und Religionskundeunterricht ersetzen. Hierfür streben wir eine entsprechende Änderung der Landesverfassung an.

Bessere politische und finanzielle Rahmenbedingungen

Beibehaltung der flexiblen Ausbildungs- und Hochschulstruktur

Traditionelle Ausbildungen, Hochschulen, Fachhochschulen und viele andere Weiterbildungsmöglichkeiten bieten eine Vielfalt an unterschiedlichen Ausbildungswegen, Schwerpunkten, Inhalten und Lehrmethoden. Der derzeitige berufsorientierte Umbau der Universitäten ist zu ihrem Schaden und zum Nachteil der anderen Bildungseinrichtungen. Wir wollen die Vielfalt und Flexibilität im Weiterbildungssystem zum Nutzen von Gesellschaft, Forschung und Lehre erhalten.

Reform des Bologna-Prozesses

Wir wünschen uns selbstbestimmtes Lernen an Hochschulen statt starrer Vorgaben und Zeiten, eine flexible Studienordnung statt des jetzigen verschulten Modulstudiums. Studieninhalte an Wirtschafts- und Standortanforderungen anzupassen lässt keinen Raum mehr für interessenorientiertes Studieren und unabhängiges Forschen. Dauerüberprüfungen und starre Zeit- und Inhaltsvorgaben verursachen zu hohen Leistungsdruck.

Deshalb sollen die Bachelorstudiengänge auf acht Semester verlängert und um zusätzliche Wahlmöglichkeiten erweitert werden. Im Anschluss müssen Masterplätze für alle interessierten Studierenden vorhanden sein.

Finanzierung von Bildung und Forschung

Bildung und Forschung sind eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass eine reiche Industrienation wie Deutschland einen im internationalen Vergleich unangemessen niedrigen Teil der öffentlichen Mittel in Bildung und Forschung investiert. Wir fordern daher eine bessere finanzielle Ausstattung des gesamten Bildungssystems.

Private Finanzhilfen für öffentliche Bildungseinrichtungen sind zu begrüßen, solange diese keinen Einfluss auf die Lehrinhalte haben.

Verbesserung der Finanzierung von Ersatzschulen

Gerade bei weiterführenden Schulen gibt es in Baden-Württemberg immer noch einen Engpass. Einer zu großen Nachfrage nach Bildungsgängen zum Abitur und zur Fachhochschulreife steht ein zu kleines Angebot seitens der Staatsschulen gegenüber. Diese Lücke wird derzeit von Ersatzschulen gefüllt. Zudem gibt es Ersatzschulen mit besonderen pädagogischen Konzepten, die eine Bereicherung der Schullandschaft sind. Für die Vielfalt der Kinder und Jugendlichen, ihrer Talente und Begabungen, wird somit eine Vielfalt an Angeboten bereitgestellt, die wir begrüßen.

Zwischen vom Staat und von privaten Trägern betriebenen Schulen herrscht jedoch keine Chancengleichheit: Ersatzschulen erhalten weitaus weniger Geld für Schülerinnen und Schüler pro Person als Staatsschulen. Darunter leidet die Ausbildung. Ersatzschulen müssen vor allem für Lehrkräfte mit Zweiten Staatsexamen attraktiver werden, um die Qualität des Unterrichts zu sichern. Eine bloße Quotenregelung für voll ausgebildete Lehrkräfte schafft keine Anreize. Außerdem verschärft das von Ersatzschulen zur Kostendeckung erhobene Schulgeld die soziale Selektion gerade beim Erwerb von weiterführenden Abschlüssen.

Die Piratenpartei schließt sich daher einer Forderung der SPD aus ihrer Oppositionszeit an und will “den Privatschulen einen jährlichen Zuschuss pro Schülerin und Schüler von mindestens 80 Prozent der tatsächlichen Kosten einer schulpflichtigen Person an einer entsprechenden öffentlichen Schule gewähren”, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.

Die bereits von der Landesregierung geschaffene Gleichbehandlung privater Träger bei der Alterssicherung reicht in unseren Augen nicht aus, um die Nachteile von Ersatzschulen auszugleichen, zumal sie nur beurlaubte Beamtinnen und Beamte an Ersatzschulen betrifft.

Bildungsstandards

Auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und angesichts der derzeit herrschenden Missstände im deutschen Bildungssystem fordern wir die zügige Umsetzung der festgesetzten Bildungsstandards auf Bundes- und Länderebene, wie sie von der Kultusministerkonferenz und dem Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen gefordert werden.

Vergleichbarkeit und bundesweiter Rahmen

Um die Vorteile des föderativen Schulsystems mit den Vorteilen eines zentral geregelten Bildungssystems zu verbinden, fordern wir mehr Richtlinienkompetenzen für den Bund. Dies ist notwendig, um die Vergleichbarkeit von Abschlüssen, einen effektiven Strukturausgleich und echte Freizügigkeit innerhalb Deutschlands zu ermöglichen.

Bessere Betreuung

Wir fordern an allen Schulen einen Betreuungsschlüssel, der einen verbesserten Unterricht sowie eine individuelle Betreuung zum Ziel hat. Dazu gehört die Schaffung neuer Lehrerinnen- und Lehrerstellen und eine angemessene Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte.

In den Bereichen Medienkompetenz und Pädagogik sehen wir einen besonderen Bedarf an Weiterbildung für Lehrkräfte. Zudem wollen wir Angebote schaffen, bei denen Eltern gemeinsam mit ihren Kindern an das Thema Mediennutzung herangeführt werden.

Die Anzahl der Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter – auch an Gymnasien – muss erhöht werden. Wir halten die Schulsozialarbeit für eine Sache des Landes, das unserer Ansicht nach auch die Kosten tragen soll.

Bessere Ausbildung und Bezahlung von Erzieherinnen und Erziehern

Von Erzieherinnen und Erziehern bzw. Betreuerinnen und Betreuern im vorschulischen Bereich wird immer mehr gefordert. Die Bezahlung sowie Aus- und Fortbildung dieser für die Entwicklung der Kinder so wichtigen Pädagoginnen und Pädagogen ist den neuen Anforderungen und der erhöhten Belastung anzupassen.

Gleiche Berufschancen im Lehrkräfte- und Dozierendenbereich

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt schleicht sich eine Zweiteilung im Bereich der Bildungsvermittlung ein: Auf der einen Seite stehen gut abgesicherte Beamte auf Lebenszeit, auf der anderen Seite billige Honorarkräfte, die in den Schulen große Teile des Nachmittagsunterrichts und der Betreuung übernehmen oder an den Hochschulen als Lehrbeauftragte in vielen Bereichen dafür sorgen, dass überhaupt noch ein ausreichendes Lehr- und Betreuungsangebot vorhanden ist.

Wir setzen uns dafür ein, den Beamtenstatus im Bildungsbereich abzuschaffen und auf gleichberechtigte und faire Arbeitsbedingungen für alle Lehrenden im Schul- und Hochschulbereich hinzuwirken.

Nachvollziehbare Bewährungsfeststellung

Dort, wo der Beamtenstatus beibehalten wird, sprechen wir uns für transparente Kriterien bei der Bewährungsfeststellung aus. Insbesondere sollten Zahl und Gewichtung der Lehrproben und die Gewichtung der Dienstführung per Verordnung landeseinheitlich festgelegt werden.

Eine ständige Kontrolle von Lehrkräften durch eine hohe Dichte an Unterrichtsbesuchen lehnen wir ab.

Einbeziehung von Fachleuten in den Schulunterricht

Wie schon in Berufsschulen üblich, sollen Fachleute in allen Schularten in stärkerem Maße als bisher in den Schulunterricht einbezogen werden – nicht nur für Gastvorträge, sondern auch als quereinsteigende Fachleute mit pädagogischer Eignung und Zusatzausbildung. Bei Auswahl und Fortbildung dieser Expertinnen und Experten ist darauf zu achten, dass der Unterricht in der Schule weltanschaulich neutral bleibt.

Einsatz von freier Software und Lehrmitteln unter freien Lizenzen

Wir wollen erreichen, dass an Bildungseinrichtungen vermehrt Lehrmittel mit freien Lizenzen und kostenlose Online-Angebote verwendet werden. Dies trägt nicht nur zur Kostensenkung bei, sondern auch dazu, dass die Lehrmittel von den Lehrenden nach Bedarf erweitert und verändert werden können. Zudem setzen wir uns für den Einsatz von freier Software an Schulen ein. Diese kann von den Kindern auch zuhause kostenfrei genutzt werden.

Open Access

Die Veröffentlichung von Ergebnissen aus staatlich finanzierter oder geförderter Forschung und Lehre findet oft durch kommerzielle Verlage statt. Die Qualitätssicherung (Peer Review) wird meist von ebenfalls staatlich bezahlten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern übernommen.

Forschungseinrichtungen müssen für selbst erarbeitetes Wissen noch einmal bezahlen, wenn dieses Wissen ausschließlich von kommerziellen Verlagen verbreitet wird. Die Steuerzahlenden kommen also mehrfach für die Kosten der Publikationen auf.

Wir unterstützen die Berliner Erklärung der Open-Access-Bewegung und verlangen die Zugänglichmachung des wissenschaftlichen und kulturellen Erbes der Menschheit nach dem Prinzip des Open Access. Wir sehen es als Aufgabe der Landesregierung an, dieses Prinzip an den von ihr finanzierten und geförderten Einrichtungen durchzusetzen.

Wissenschaftlichen Nachwuchs fördern

Ansätze zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses werden leider oft als Einladung zum Sparen aufgefasst. Vor allem die Juniorprofessur sowie die geplante Lehrjuniorprofessur sind in der derzeitigen Form äußerst problematisch. Insbesondere müssen die Zukunftsaussichten der Juniorprofessorinnen und -professoren verbessert werden.

Die Piratenpartei Baden-Württemberg wird neue, unbefristete Hochschulstellen vor allem im Bereich der wissenschaftlichen Mitarbeitenden einrichten. Bestehende Lehraufträge an Schulen und Hochschulen wollen wir angemessener als bisher vergüten und befristete in unbefristete Arbeitsverträge umwandeln.

Förderung Erwachsenenbildung

Wir wollen ein integratives Konzept “Lebenslanges Lernen” aufbauen, das Volkshochschulen mit Schulen, Fachhochschulen, Berufsschulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen zu einem Verbund der Erwachsenenbildung effektiv zusammenführt.